Ich habe wieder Wörter gesammelt: Fremdwörter, denen man immer wieder begegnet, ohne sie in jedem Fall genau erklären zu können. Oft kann man sich die Bedeutung einigermaßen erschließen, aber es ist doch immer etwas Raten dabei. Möglich ist auch, dass Sie einige der Wörter noch nie gehört haben.
Das möchte ich ändern – und gehe deshalb zehn schöne Fremdwörter mit Ihnen durch. Da die Ausdrücke ziemlich elitär sind, verwenden Sie sie bitte nur mit Bedacht. Die Wörter im passiven Wortschatz zu haben, lohnt sich aber auf jeden Fall.
Nach meinem Beitrag 10 Fremdwörter, die Sie kennen sollten ist dies hier übrigens schon der zweite Teil. Welche Wörter heute dabei sind, sehen Sie hier:
1. kolportieren
Wenn jemand eine Information kolportiert, so ist der Wahrheitsgehalt dieser Information fraglich. Man könnte auch sagen, die Person verbreitet Gerüchte.
Das Wort stammt von französisch colporter für „hausieren“. Le col ist der Hals, porter bedeutet „tragen“. Die Wortherkunft erklärt sich so: Die fahrenden Händler trugen früher ihre Waren um den Hals beziehungswiese auf den Schultern. Beim Hausieren verbreiteten sie nicht nur Waren, sondern auch Gerüchte. So kam man von „um den Hals tragen“ (colporter) zu „hausieren gehen“ zu „Gerüchte verbreiten“. Hübsch, oder?
Beispiel: Er hat allen Ernstes kolportiert, ich hätte bei meiner Doktorarbeit geschummelt.
2. korrelieren
Wenn zwei Dinge miteinander korrelieren, so stehen sie miteinander in Wechselbeziehung. Oft wird das Verb mit „kollidieren“ verwechselt – was einen Zusammenprall, einen Widerspruch bezeichnet, also etwas ganz anderes. Wenn Interessen kollidieren, sind sie entgegengesetzt; wenn sie korrelieren, bedingen sie einander.
Beispiel: Ihr Wunsch nach Anerkennung korreliert mit seinem Bedürfnis, sich einzuschmeicheln.
3. konzertiert
Auch dieses K-Wort wird leicht verwechselt, nämlich mit „konzentriert“. Eine konzentrierte Aktion wäre eine Aktion, in der die Beteiligten sich stark fokussieren. Eine konzertierte Aktion hingegen bedeutet, dass die Beteiligten sich miteinander abgestimmt haben.
Nicht aus Zufall steckt das Wort „Konzert“ drin. Wie Musiker und Musikerinnen bei einem Konzert müssen alle zusammenarbeiten.
Beispiel: In einer konzertierten Aktion haben wir in nur acht Stunden die ganze Wohnung leer geräumt.
4. iterativ
Mit dem Wort iterativ bezeichnet man in der Mathematik und Informatik die Vorgehensweise, sich in wiederholten Rechenoperationen der Lösung anzunähern. Und das klappt auch im übertragenen Sinn: Wenn ich iterativ vorgehe, wiederhole ich immer wieder eine bestimmte Handlung, um schrittweise zur Lösung zu kommen.
Beispiel: Ohne deine iterativen Vorstöße hätten wir nie das Okay der Chefin bekommen.
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5. frugal
Das Adjektiv frugal bedeutet „einfach und bescheiden“ und wird insbesondere in Bezug auf Essen und Trinken verwendet. Eine Person kann nicht frugal sein.
Neueren Datums ist der Frugalismus als Lifestyle. Frugalisten und Frugalistinnen leben extrem sparsam, um möglichst früh im Leben finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen.
Beispiel: Ich hoffe, Nudeln mit Tomatensoße sind dir nicht zu frugal – ich bin nun mal kein Sternekoch.
6. atavistisch
Von atavistisch spricht man, wenn etwas einem früheren, primitiven Stadium der Menschheit entspricht. Ein Atavismus ist quasi ein Gruß aus unserer prähistorischen Vergangenheit.
Beispiel: Als die alte Frau sich näherte, spürte sie den atavistischen Impuls, ihr Kind schnell an sich zu reißen.
7. genuin
Das Adjektiv genuin wird gerne als „echt“ übersetzt, doch ich finde, so ganz trifft es das noch nicht. Vielmehr zielt man damit ins Herz einer Sache. Die genuinen Eigenschaften einer Sache sind das, was ihr von Anfang an innewohnt und bestehen bleibt. In der Medizin wird das Wort für „angeboren, genetisch bedingt“ verwendet.
Beispiel: Welches sind die genuinen Merkmale dieser Kunstrichtung?
8. Plazet
Wenn eine Person oder Institution ihr Plazet gibt, erklärt sie ihre Einwilligung. Der Ausdruck kommt vom lateinischen placet – „es gefällt, ich stimme zu“. Auch die Schreibweise „Placet“ ist erlaubt. Dichten Sie dem lateinischen Wort bitte keine französische Aussprache an. Man spricht das t mit, die Betonung liegt auf dem a.
Beispiel: Für das Projekt fehlt uns noch das Plazet der Baubehörde.
9. Vabanque
Von einem Vabanquespiel spricht man, wenn jemand etwas sehr Riskantes tut – wenn er alles aufs Spiel setzt. Man sagt auch: „Sie spielt va banque“ oder „Vabanque“. Der Duden empfiehlt die erste Schreibweise. Die Aussprache ist französisch.
Der Begriff stammt aus dem im 18. und 19. Jahrhundert sehr populären Karten-Glücksspiel Pharo. Wenn ein Spieler den gesamten Bankbetrag einsetzen will, ruft er: „Va banque!“ (Es gilt die Bank.)
Beispiel: Sie will das tatsächlich hinter seinem Rücken durchziehen? Was für ein Vabanquespiel.
10. Desiderat
Ein Desiderat ist etwas Gewünschtes, Ersehntes – etwas, das noch fehlt. In der Wissenschaft wird damit ein Thema bezeichnet, von dem man sich wünscht, dass jemand es zum Forschungsgegenstand macht. Ein Desiderat kann aber auch ein fehlendes Objekt in einer Sammlung sein oder ein Buch, das eine Bibliothek anschaffen möchte.
Das Wort stammt vom lateinischen desideratum für „Gewünschtes“. Denken Sie auch an das englische Verb to desire.
Beispiel: Die Auswirkungen der KI auf die menschliche Kreativität zu erforschen, ist ein wichtiges Desiderat unserer Zeit.
Fazit: Fremdwörter als Bereicherung
Bei der Verwendung dieser Wörter halte ich mich zurück, es sei denn, ich weiß, mein Gegenüber steht ebenso darauf. Schön finde ich sie allemal – dafür bin ich einfach zu verliebt in den Reichtum unserer Sprache. Wie geht es Ihnen damit? Welche der zehn Fremdwörter waren neu für Sie, welche haben Sie vielleicht sogar im aktiven Wortschatz? Lassen Sie mir gerne einen Kommentar da.
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Simon Hupfer meint
Wie schön, dass Sie immer wieder solche Schätze bergen und für Ihre Leser auch noch ins Schaufenster stellen! Danke dafür! Ihre Zeilen zu „kolportieren“ sind einfach wieder einmal eine schöne Sprachgeschichte!
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Hupfer,
danke für Ihr nettes Feedback!
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Reinhard Siegismund meint
Ich danke Ihnen für Ihre Rundschreiben und das heutige zum Thema Fremdworte! Ihre Nachrichten sind wirklich immer wieder so erfrischend gut und brauchbar. – Natürlich versuche ich bei Schriftsätzen für die Justiz Fremdworte, die nicht ganz allgemein sind, zu vermeiden, der arme Handwerker der meine Schreiben auch verstehen sollte, sollte nicht auch noch mit dem Verstehen des Textes Probleme haben. – Ich will Ihr Schreiben auch kolportieren an Kollegen, mit denen ich mich austausche.
Ich danke für Ihre gute Arbeit!
Freundliche Grüße Reinhard Siegismund
Dr. Annika Lamer meint
Vielen Dank, lieber Herr Siegismund!
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Hans-Joachim Rudolph meint
Herzlichen Dank für diese nette Sammlung. Die Lust, diese eher seltenen Wörter zunächst mal selbst zu definieren, korreliert stark mit meiner Frede darüber, dass meine Definitionen mit Ihren übereinstimmen.
Dr. Annika Lamer meint
Lieber Herr Rudolph,
ein Kinderspiel für Sie, ich sehe schon!
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Jens Wulsten meint
Was für eine schöne Liste und so anregend und erhellend erläutert. Das mag ich ja sehr. Am besten gefiel mit das Kolportieren. Sehr hilfreich: frugal und atavistisch. Frugal klingt für mich ja eher nach „mehr“ (wegen der Endung des Wortes – das weite, öffnende a). Sehr spannend. Danke dafür. Herzlichen Gruß Jens
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Jens,
stimmt irgendwie, „frugal“ hat vom Klang so was Üppiges.
Danke für Ihren netten Kommentar!
Herzliche Grüße
Annika Lamer