Geschafft, Ihr Text ist fertig. Jetzt müssen Sie ihn nur noch Korrektur lesen. Das Problem dabei: die berühmte Betriebsblindheit. Wer die eigenen Formulierungen bereits auswendig kann, ergänzt die Wörter automatisch aus dem Gedächtnis, anstatt sie richtig zu lesen. Und schon schlüpfen Ihnen die Fehler zwischen den Fingern durch. Lesen Sie hier, welche Tipps und Tricks beim Korrigieren helfen.
Tipp Nr. 1: Vertrauen Sie nicht auf Ihr Rechtschreibprogramm
Vielleicht hielten Sie es bisher für ausreichend, die Rechtschreibhilfe Ihres Textverarbeitungsprogramms über den Text laufen zu lassen? Da muss ich Sie leider enttäuschen. Gerade wenn ein Text mehrmals überarbeitet wird, passiert es oft, dass eine falsche grammatikalische Endung stehen bleibt (z. B. den statt dem, Beispielen statt Beispiele), dass ein Wörtchen fehlt oder eines doppelt steht. Und viele Falschschreibungen ergeben ein anderes Wort, das vom Rechtschreibprogramm natürlich als richtig bewertet wird (z. B. seit statt seid, dass statt das). Das bedeutet für Sie, Sie müssen schon noch selber ran.
Tipp Nr. 2: Lesen Sie den Text laut vor
Das Lautlesen verlangsamt automatisch Ihre Lesegeschwindigkeit. Falschschreibungen und insbesondere doppelte oder fehlende Wörter fallen Ihnen so eher auf.
Tipp Nr. 3: Machen Sie spezielle Korrekturdurchgänge
Konzentrieren Sie sich beim Korrekturlesen nacheinander auf bestimmte Aspekte, insbesondere auf Ihre typischen Fehlerquellen. In einem Durchgang achten Sie genau auf die Zeichensetzung, im nächsten auf die Groß- und Kleinschreibung etc. Sobald Ihnen der kleinste Zweifel kommt, schlagen Sie noch einmal nach.
Tipp Nr. 4: Verändern Sie das Schriftbild
Wenn Sie Schriftgröße, Schriftart und Farbe Ihres Textes ändern, passiert zweierlei: Zum einen ändern sich die Zeilenumbrüche, so dass Sie doppelte Wörter leichter entdecken. Zum anderen ist es fast so, als läsen Sie einen fremden Text Korrektur. Sie gewinnen an Distanz und erfassen die Sätze nicht mehr ganz so automatisch.
Tipp Nr. 5: Drucken Sie Ihren Text aus
Auf Papier liest sich Ihr Text anders als am Bildschirm: Sie werden ihn mit neuen Augen sehen.
Tipp Nr. 6: Lassen Sie den Text eine Weile liegen
Gewinnen Sie Abstand von Ihrem Text, indem Sie ihn ein paar Tage ruhen lassen.
Tipp Nr. 7: Lesen Sie den Text rückwärts
Das Rückwärtslesen zwingt Sie, den Text Wort für Wort zu lesen. Weil der Sinn nicht mehr erfasst wird, können Abschnitte nicht mehr durch das Gedächtnis ergänzt werden. Grammatikalische Fehler entdecken Sie auf diese Weise allerdings nicht. Der Trick ist daher vor allem dann geeignet, wenn Sie stark zu Buchstabendrehern o. Ä. neigen. Für alle anderen ist er in der Regel zu mühselig.
Tipp Nr. 8: Lassen Sie den Text von jemand anderem Korrektur lesen
Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, ist dies der beste Tipp. Am meisten profitieren Sie natürlich von einem professionellen Korrektorat. Aber auch Ihr Partner oder Freund kann beim Korrekturlesen Fehler entdecken, für die Sie selbst längst betriebsblind sind.
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Stefanie Schmid meint
Klasse, herzlichen Dank für die wertvollen Tipps. Am wichtigsten ist, dass der Verfasser des Textes nicht selbst korrekturlesen sollte. Man kann es Text-Betriebsblindheit nennen. 🙂
Viele Grüße aus Stuttgart,
Stefanie
Marcus meint
Guter Beitrag. Einer der wichtigsten Tipps ist mit Sicherheit den eigenen Text eine Zeit lang liegen zu lassen. Etwas Abstand zum eigenen Text wirkt manchmal Wunder.
Mary Andreotti meint
Sehr geehrte Frau Dr. Lamer,
ich möchte die folgende Fragen stellen :
Welche Sätze sind richtig? Und warum ? Ich weiß nicht, wann man das Datum klein- oder großschreiben muss….. 🙁
1. Heute ist der Neunzehnte Zweite
2. Heute haben wir den Neunzehnten Zweiten
3. Heute ist der neunzehnte Zweite/ Heute haben wir den neunzehnten Zweiten
4. Heute ist der Neunzehnte zweite /Heute habe wir den Neunzehnten zweiten
Vielen Dank im Voraus!
Ich freue mich auf Ihre Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Mary Andreottie Frau
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Andreotti,
es ist sehr unüblich, das so zu schreiben – schreiben Sie besser: „Heute ist der 19.02.“ Wenn, dann wäre Nummer 3 richtig.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Korrekturleserin meint
Wirklich guter Artikel mit allen wichtigen Tipps zum Thema. Wenn ich noch etwas hinzufügen darf: Es hilft oft, sich eine Liste mit seinen Schwächen und häufigen Fehlern zu machen und diese beim Korrekturlesen einfach daneben zu legen. Dadurch spart man sich viel Arbeit, denn auf diese Fehler achtet man nun automatisch und man kann sich auf andere Fehlerquellen konzentrieren. Wenn man diese Liste langfristig fortführt kann man dadurch auch langfristig seine sprachlichen Kompetenzen weiterentwickeln.
Liebe Grüße!
Frank Schmidt meint
Liebe Frau Lamer,
volle Zustimmung und ich denke, Tipp 6 ist am wichtigsten. Tempus fugit. Die meisten Verfasser schießen ihren Text einfach zu schnell in die Öffentlichkeit. Klar, bei E-Mails (oder Blogeinträgen) ist es manchmal nicht möglich oder gewünscht, zu warten. Aber bei allen „öffentlichkeitswirksamen“ Schriftstücken sollte man dieses über Nacht liegen lagen. Meine Faustregel würde lauten: Je länger der Text, desto länger der Abstand zwischen erstem Schreiben und Veröffentlichung.
schöne Grüße
Frank
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frank,
da gebe ich Ihnen recht. Das Liegenlassen ist ja nicht nur gut, um Rechtschreibfehler aufzuspüren, sondern auch, um unschöne oder ungenaue Formulierungen zu verbessern. Darüber habe ich hier mal gebloggt: http://www.annika-lamer.de/perfektionist-oder-schludrian-vier-mantras-fuer-effektiveres-texten/
Herzliche Grüße
Annika Lamer