Zwei Pünktchen, große Wirkung: Der Doppelpunkt kann weit mehr, als nur die wörtliche Rede einzuleiten. Man sieht es ihm vielleicht nicht an, aber er ist ein richtiger Tausendsassa, ein Stilmittel de luxe. Er hilft Ihnen, Ihre Argumentation deutlich zu machen. Er befreit Ihre Texte von Wortballast. Und er kann Mündlichkeit in Ihren Text bringen. Wie genau? Los geht’s!
Der Doppelpunkt als Verbindungsglied
Schauen wir uns zuerst die klassische Funktion des Doppelpunkts an, so wie Sie es auch im Duden nachlesen können. Angenommen, ich habe Satz A und Satz B, verbunden durch einen Doppelpunkt. Dann sieht das Verhältnis zwischen den beiden Sätzen meist so aus:
- Entweder Satz A kündigt Satz B an.
- Oder Satz B ist eine Schlussfolgerung oder Zusammenfassung aus Satz A.
Beispiele dazu:
- Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Wenn Sie früher fertig sind, haben Sie mehr Zeit für anderes.
(Satz A kündigt an: Achtung, gleich kommt der Vorteil.) - Ein Hund zwingt Sie zu viel Bewegung an der frischen Luft: Kein Wunder, dass Hundehalter gesünder leben.
(Satz B ist die Schlussfolgerung aus Satz A.)
Der Doppelpunkt muss hier nicht sein, ein Punkt ginge auch. Der Doppelpunkt bindet die Sätze aber stärker aneinander, er stellt ein Verhältnis zwischen ihnen her. Damit unterstützt er Ihre Argumentation.
Textscharniere
Zwei vollständige Sätze miteinander zu verbinden, ist aber nicht die wichtigste Funktion des Doppelpunkts. Viel mehr bringt er, wenn Sie mit ihm Ihre Sätze verschlanken und verkürzen.
Starten wir dazu bei folgender Frage: Wie kommen Sie von einem Satz zum nächsten? Das können Sie ganz unvermittelt tun:
Viele Menschen haben eine regelrechte innere Sperre, wenn es um freie Formulierungen geht. Ihnen sitzt noch die Stimme des Lehrers in der Schule im Ohr.
Wollen Sie die Kausalkette, Ihre Argumentation deutlich machen, müssen Sie etwas ausholen.
Viele Menschen haben eine regelrechte innere Sperre, wenn es um freie Formulierungen geht. Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass ihnen noch die Stimme des Lehrers in der Schule im Ohr sitzt.
Jetzt ist Ihre Argumentation zwar deutlicher geworden, aber um den Preis einer umständlichen Satzkonstruktion. Der Text wirkt aufgebläht.
Wie können Sie das Ganze abkürzen? Indem Sie sich nur den logischen Marker Grund vornehmen:
Viele Menschen haben eine regelrechte innere Sperre, wenn es um freie Formulierungen geht. Der Grund: Ihnen sitzt noch die Stimme des Lehrers in der Schule im Ohr.
Diese Art Einsprengsel bezeichnet man auch als Textscharnier. Textscharniere machen die Kausalverbindung deutlich, ohne dabei den Satz zu belasten. Sie geleiten den Leser elegant, aber nachdrücklich zur nächsten Aussage. Weitere Beispiele:
- Die Folge:
- Das Problem:
- Die Frage:
- Das Prinzip dahinter:
- Der Clou:
- Der Vorteil:
- Das heißt/bedeutet:
- Zusammengefasst:
- Wichtig:
- Denn:
- Also:
- Aber:
Ein gewollter Nebeneffekt ist dabei das Aufbauen von Spannung. Das merken Sie hier:
Aber so einfach ist es nicht.
=> Aber: So einfach ist es nicht.
Der Doppelpunkt bringt Spannung in den Satz. Der Leser spürt: Oh, gleich kommt etwas Wichtiges. Dafür sorgt nicht zuletzt die (gedachte) Sprechpause.
Mit Doppelpunkt betonen
Nicht nur mit den Textscharnieren, sondern auch auf anderem Wege können Sie Spannung aufbauen. Das schaffen Sie, indem Sie Argumente mit Doppelpunkt vom Satz abspalten und so besonders betonen. Vergleichen Sie einmal die folgenden Satzpaare:
Dazu benötigen Sie vor allem Geduld.
=> Dazu benötigen Sie vor allem eines: Geduld.
Das nötige Eigenkapital ist jedoch eine Hürde, die die Bauherren erst einmal erklimmen müssen.
=> Doch es gibt eine Hürde, die die Bauherren erst einmal erklimmen müssen: das nötige Eigenkapital.
Die zweite Version baut mehr Spannung auf und legt den Finger auf die Kernaussage (Geduld, Eigenkapital).
Mit Doppelpunkt Sätze abkürzen
Wir haben bereits bei den Textscharnieren gesehen, wie der Doppelpunkt Sätze entschlacken kann. Ein weiteres Beispiel habe ich hier, zunächst in zwei ausformulierten Fassungen:
Steigende Nachfrage und ein hinterherhinkendes Angebot führen dazu, dass das derzeitige Marktumfeld für Bauherren sehr attraktiv ist.
In der steigenden Nachfrage und dem hinterherhinkenden Angebot ist der Grund dafür zu finden, warum das derzeitige Marktumfeld für Bauherren sehr attraktiv ist.
Zwei lange Sätze, anstrengend zu lesen. Weg mit dem Ballast! Und zwar so:
Steigende Nachfrage und ein hinterherhinkendes Angebot: Für Bauherren ist das derzeitige Marktumfeld sehr attraktiv.
Der Kausalbezug wird hier nur durch den Doppelpunkt hergestellt. Genau wie in dem folgenden Beispiel:
Falls Sie jetzt noch Fragezeichen auf der Stirn stehen haben: Keine Sorge, Sie müssen nicht alles durchschauen.
„Falls“ leitet als Konjunktion einen Nebensatz ein. Korrekt müsste es mit einem Hauptsatz weitergehen, etwa: „Falls Sie jetzt noch Fragezeichen auf der Stirn haben, kann ich Sie beruhigen.“ Dank des Doppelpunkts können Sie den Hauptsatz aber einfach unterschlagen. Das spart Ihnen nicht nur Worte, es macht Ihren Text auch lebendiger und mehr ans Mündliche angelehnt.
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Groß oder klein weiter?
Zum Schluss sollten wir uns noch die Groß- und Kleinschreibung nach dem Doppelpunkt anschauen. Sie führt oft zu Unsicherheiten.
1) Folgt auf den Doppelpunkt ein vollständiger Satz, schreiben Sie ihn groß:
Fakt ist: Umweltfreundliches Heizen geht uns alle an.
2) Kleinschreibung ist richtig, wenn der folgende Text nicht als selbstständiger Satz aufgefasst wird, etwa bei Aufzählungen.
So sparen Sie Energie: nicht überheizen, nachts die Temperatur senken, Heizkörper freihalten.
3) Abweichend von Nummer 1 gilt: Sie haben die Wahl zwischen Groß- und Kleinschreibung, wenn der zweite Satzteil auch mit Gedankenstrich angeschlossen werden könnte. Dazu folgendes Beispiel:
Achten Sie auf Ihren Verbrauch: Umweltfreundliches Heizen geht uns alle an.
Eigentlich spricht der vollständige Satz für Großschreibung. Weil ich ihn aber auch mit Gedankenstrich anschließen könnte, ist die Kleinschreibung ebenfalls möglich.
Achten Sie auf Ihren Verbrauch – umweltfreundliches Heizen geht uns alle an.
Achten Sie auf Ihren Verbrauch: umweltfreundliches Heizen geht uns alle an.
4) In anderen Fällen kann man mit einer Ellipse argumentieren.
Wir alle brauchen Motivation: etwas, das uns morgens aus dem Bett treibt.
Kein vollständiger Satz, also klein? Ich könnte mir hier auch einen Punkt vorstellen. Begreife ich den zweiten Teil als eigenen Satz (in dem Fall eine Ellipse), rechtfertigt es das, sich nach dem Doppelpunkt ebenfalls für die Großschreibung zu entscheiden.
Wir alle brauchen Motivation. Etwas, das uns morgens aus dem Bett treibt.
Wir alle brauchen Motivation: Etwas, das uns morgens aus dem Bett treibt.
Am einfachsten machen Sie es sich aber, wenn Sie sich an die Regel halten: vollständiger Satz groß, unvollständiger Satz klein.
Vorsicht bei der Dosis
Halten wir fest, der Doppelpunkt ist ein starkes Stilmittel. Wie bei allen Stilmitteln gilt: Bitte mit Maß. Jeder Doppelpunkt schafft einen kleinen Stolperstein. Richtig eingesetzt, bringen diese Stolpersteine den Leser zum Tanzen. Sind es zu viele, strauchelt er – und wird den allzu steinigen Weg lieber verlassen.
Fazit: Zwei Pünktchen mit Wumms
Der Doppelpunkt kann also eine Menge. Er unterstützt Ihre Argumentation, indem er Kausalbeziehungen verdeutlicht. Das tut er auf ganz leichtfüßige Weise, er kürzt und strafft dabei sogar. Er sorgt für Abwechslung von den braven Subjekt-Prädikat-Objekt- und Nebensatz-Hauptsatz-Konstruktionen. Er bringt Mündlichkeit in den Text, schafft Sprechpausen und betont.
Wenn Sie deutlich machen, was für Sie wichtig ist, legen Sie immer auch etwas von sich in den Text. Das wird der Leser spüren. Die Königsklasse haben Sie erreicht, wenn Sie mit dem Doppelpunkt Emotionen wecken – Überraschung, Nachdruck, den inneren Ausruf: „Ja, so sehe ich das auch!“ Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.
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Torsten Irion meint
schöne Beispiele, einleuchtend erklärt: prima!
Dankeschön
Daniela Gotta meint
freue mich jedes Mal über die unterhaltsam aufbereiteten Lehrstücke 🙂 DANKE
Manuel meint
Wie sieht es bei Überschriften mit der Groß- und Kleinschreibung aus? Ich beobachte immer wieder, dass besonders in der Werbung diese Regeln zugunsten der Großschreibung ignoriert werden. Auch finde ich unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema. Einige Texter bevorzugen die Großschreibung nach Doppelpunkt in Überschriften, andere hingegen halten an dem Regelwerk fest. Wie sehen Sie das?
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Manuel,
eine Überschrift mit Doppelpunkt würde ich behandeln wie Headline und Subline. Die Subline würde man ja auch groß beginnen.
Zweizeilig:
Behaglich durch den Herbst
Die besten Rezepte für gemütliche Stunden
Mit Doppelpunkt:
Behaglich durch den Herbst: Die besten Rezepte für gemütliche Stunden
Ein Argument ist hier, dass wir es ja nicht mit Sätzen zu tun haben – die hätten einen Punkt. Überschriften sind also nicht zwangsweise den „normalen“ Satz-Rechtschreibregeln zu unterwerfen.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Caspar meint
Kann auch ein vollständiger Satz nach Doppelpunkt in bestimmten Fällen kleingeschrieben werden? Diese Beispiele aus dem amtlichen Regelwerk (§ 81 (3), Doppelpunkt bei „Zusammenfassungen des vorher Gesagten oder Schlussfolgerungen aus diesem“, https://grammis.ids-mannheim.de/rechtschreibung/6203#) legen das nahe, ohne dass es dort aber eine explizite Regel dazu gibt:
„Haus und Hof, Geld und Gut: alles ist verloren.“
„Wer immer nur an sich selbst denkt, wer nur danach trachtet, andere zu übervorteilen, wer sich nicht in die Gemeinschaft einfügen kann: der kann von uns keine Hilfe erwarten.“
Auch hier ist jeweils die Ersetzung des Doppelpunkts durch einen Gedankenstrich möglich.
Viele Grüße
Caspar
Caspar meint
Guten Morgen! Ich habe die Antwort auf meine vorherige Frage mittlerweile gefunden: Im Dudenband „Zweifelsfälle“ steht im Abschnitt zur Groß- und Kleinschreibung, Punkt 2.1 (Doppelpunkt):
„Nach einem Doppelpunkt schreibt man das erste Wort einer direkten Rede
oder eines selbstständigen Satzes groß:
[…] Das Haus, das
Wirtschaftsgebäude, die Stallungen: Alles war den Flammen zum Opfer gefallen.
Alternativ zur Großschreibung kommt die Kleinschreibung infrage, wenn
der nach dem Doppelpunkt stehende Satz (wie ein Teilsatz) auch mit einem
Gedankenstrich angeschlossen werden könnte:
Das Haus, das Wirtschaftsgebäude, die Stallungen: alles war den Flammen zum Opfer
gefallen. (Denn man kann auch schreiben: Das Haus, das Wirtschaftsgebäude, die
Stallungen – alles war den Flammen zum Opfer gefallen.)“
Die Regel mit dem Gedankenstrich gilt also, bezogen auf deine obigen Beispiele, nicht nur „abweichend von Nr. 2“, sondern auch abweichend von Nr. 1, wo sie dann Klein- statt Großschreibung auch bei vollständigem Satz ermöglicht. Ich persönlich finde das sinnvoll, wenn es einen direkten Rückverweis aus dem Satz(teil) nach dem Doppelpunkt in den Satz(teil) vor dem Doppelpunkt gibt, wie hier das Wort „alles“ (= „das alles“).
Viele Grüße
Caspar
Dr. Annika Lamer meint
Lieber Caspar,
ich habe es oben falsch rum dargestellt. Dabei lehre ich es in meinen Workshops richtig rum. Anscheinend ist mir das bei diesem älteren Artikel nie aufgefallen. Danke für den wichtigen Hinweis! Ich werde das mal umstricken.
Viele Grüße
Annika
Caspar meint
Das ging ja schnell – vielen Dank! Die neue Version hört sich sehr einleuchtend an.
Schönen Tag noch
Caspar
Anita meint
Vielen Dank für den großartigen Artikel!
Ich würde gern eine Frage stellen, die mich schon eine Weile beschäftigt: „Die Hürden sind sehr hoch. Insofern: Viel/viel Gück!“ Wird „viel“ hier klein oder groß geschrieben?
Hier treffen ja zwei Ellipsen aufeinander, was es tricky aussehen lässt. Fällt die direkte Rede (Insofern würde ich sagen) mehr ins Gewicht und „viel“ wird großgeschrieben oder eher der unvollständige Satz, der dann klein beginnt? Oder ist es gar völlig anders? ; )
Schöne Grüße
Anita
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Anita,
zunächst einmal: Ob vor dem Doppelpunkt ein vollständiger Satz steht oder eine Ellipse, spielt keine Rolle. Darüber brauchen Sie sich also nicht den Kopf zu zerbrechen.
Das „Viel Glück!“ ist also unser Knackpunkt. Meiner Ansicht nach können Sie es sowohl klein schreiben (kein grammatisch vollständiger Satz) als auch groß schreiben (formelhafter Ausdruck eines Wunsches, der auch ohne Verb sehr wohl alleine stehen kann). Ich persönlich würde mich für die Großschreibung entscheiden.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Anita meint
Herzlichen Dank und viele Grüße!
Anita