Wer im Internet gefunden werden will, muss auf vieles achten – auch auf die richtige Textlänge, so heißt es. Wie viele Wörter sind ideal? Im Netz kursieren Empfehlungen, die 200-Wörter-Marke nicht zu unterschreiten; besser wären 400. Das Argument scheint einleuchtend: Google liebt Content. Aber ist das wirklich ein Grund dafür, einen Text künstlich aufzubauschen?
Viele Worte = viel wert?
Googles Contentliebe hängt mit der These zusammen, dass der Leser nur in einem längeren Text wirklich umfassend über das gesuchte Thema informiert würde. Außerdem kommen wichtige Keywords öfter vor, auch das ein Vorteil. Content-starke Websites werden daher mit einer besseren Platzierung in den Suchergebnissen belohnt.
Aber stimmt das denn? Bringt eine Seite mit mehr Content automatisch größeren Mehrwert für den Leser? Will überhaupt jeder Nutzer „umfassend“ über ein Thema informiert werden? Sicher nicht! Gerade bei Websites, die ein Produkt verkaufen, sind in der Regel hochwertige, großformatige Fotos viel wichtiger – sowie ein Text, der die richtigen Infos auf den Punkt bringt, eventuell noch einen emotionalen Anreiz bietet. Einen Text von 200 oder gar 400 Wörtern über einen Schuh möchte gewiss niemand lesen.
Mensch vs. Suchmaschine
Viele Händler begegnen dem Problem, indem sie am Ende der Seite einen kleingedruckten Infotext voller Keywords unterbringen, der viel zu uninteressant ist, als dass ihn tatsächlich jemand lesen würde. Ob dieser Trick im Sinne des Erfinders ist, in diesem Fall Google, wage ich zu bezweifeln. Für mich hat das immer einen schalen Beigeschmack, ich fühle mich als Kundin nicht ernst genommen. Es ist, als sei diesen Unternehmen die Suchmaschine wichtiger als ich, die Kundin.
Nicht nur bei Händlern, auch bei Dienstleistern ist die Einhaltung der 200-Wörter-Marke nicht immer angebracht. Gerade bei Startseiten vertrete ich die Auffassung, dass man den Leser nicht mit zu viel Text erschlagen sollte. So zählt die Startseite auf annika-lamer.de aktuell nur 111 Wörter. Ich finde, das reicht.
Der Blickwinkel einer SEO-Expertin
Aber handelt es sich hier nur um meine romantische, immer sehr leserorientierte Sicht? Schließlich bin ich keine SEO-Texterin. Ich habe daher jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Dr. Karin Windt von Webgewandt ist SEO-Expertin und unterstützt Unternehmen bei Social Media Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Und siehe da, auch Frau Windt aus ihrer SEO-Perspektive hält nichts von künstlich aufgebauschten Texten:
„Die kursierende Richtlinie, dass man minimal 200 bis 400 Wörter pro Artikel verwendet, ist magisches Denken in Zahlen. Wer schreibt, sollte inhaltlich denken, an die ‚echten‘ Leserinnen und Leser. Es ist besser, sich um gute Inhalte Gedanken zu machen, als Wort-Erbsen zu zählen.“
So weit, so gut. Viele Unternehmen wollen aber gar nicht an die Leser denken, sondern vornehmlich an die Suchmaschinen. Das Argument: Was nützen mir zufriedene Leser, wenn sie gar nicht auf meine Website finden? Doch auch diese Bedenken kann Frau Windt entkräften:
„Die Suchalgorithmen der Robots werden künftig verstärkt daraufhin optimiert, Texte ganzheitlicher zu erfassen – bis hin zum semantischen Verständnis.“
Google & Co. werden sich also in Zukunft von künstlich aufgeblasenen Texten immer weniger beeindrucken lassen. Stattdessen werden sie sich verstärkt darum bemühen, gute Inhalte von schlechten zu unterscheiden. Die Algorithmen, nach denen sich der Wert einer Seite berechnet, werden immer komplizierter – und beschränken sich bereits heute ganz sicher nicht auf als bloße Wortzählerei. (Eine ähnliche Entwicklung gab es bei den Keywords. Die Zeiten, in denen jeder Website-Besitzer aufgefordert war, seine Schlüsselwörter bis zum Erbrechen im Text zu wiederholen, sind zum Glück längst vorbei.)
Ab wann ist ein Text zu lang?
Und in die andere Richtung? Wie viele Wörter sollte ein Text maximal haben? Hier gibt es erst recht keine Richtlinien. Bedenken sollten Sie immer, dass die Aufmerksamkeitsspanne im Netz kurz ist. Aber letzten Endes kommt es darauf an, was Sie erzählen – und wie Sie es erzählen. Ein spannendes Thema verträgt auch mehrere tausend Wörter. Ratsam ist nur, den Text durch Zwischenüberschriften zu gliedern, wenn möglich mit Bildern oder Grafiken aufzulockern und ihn gegebenenfalls auf mehrere Teile aufzuteilen. Aus einem sehr langen Blogartikel können Sie zum Beispiel eine Serie aus mehreren Artikeln machen.
Fazit: Denken Sie an den Leser, nicht an die Suchmaschine
Aus meiner Sicht können Sie zwei Strategien fahren. Entweder, Sie richten alles nach den Suchmaschinen aus und schreiben halbe Romane auf Ihre Seite, auch wenn Sie eigentlich nur wenig zu sagen haben. Noch (!) mögen Sie damit zwar ein paar mehr Nutzer auf Ihre Website locken. Aber Sie riskieren damit, Ihre potenziellen Kunden zu langweilen oder gar zu verärgern. Und langfristig wird Ihnen der technische Fortschritt der Suchrobots wohl sowieso einen Strich durch die Rechnung machen.
Die zweite Strategie lautet, sich keine Gedanken um die richtige Textlänge zu machen, sondern genau das auf Ihre Seite zu setzen, was Ihre potenziellen Kunden dort suchen. Vielleicht kommen im ersten Moment weniger Nutzer auf Ihre Seite als bei Ihren Mitbewerbern mit den Bleiwüsten. Aber die, die kommen, werden gerne bei Ihnen kaufen – und sie werden Sie weiterempfehlen. Welche Strategie ist wohl die bessere? Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.
Lesen Sie auch:
So schaffen Sie Mehrwert für Ihre Website
Stilsicher texten: Adjektive im Werbetext
10 Tipps für eine vertrauensbildende Website: So überzeugen Sie Zögerer und Zauderer
Peter Singer meint
Guten Tag,
die Anzahl der Wörter und Bilder pro Artikel ist ein interessantes Thema und Qualität steht dabei immer vor Quantität. Wir wollten es genau wissen und haben nachgemessen, wie viele Wörter bei Google nun tatsächlich am höchsten ranken:
http://www.ecom1.de/news/content_woerter.html
Beste Grüße,
Peter Singer.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Singer,
besten Dank für die Ergänzung. 1.900 Wörter ist ein überraschend hoher Wert. Ob es allerdings einen direkten Kausalzusammenhang zur Platzierung gibt, ist dadurch natürlich noch nicht erwiesen.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Ralf Ehlert meint
Hallo Frau Lamer,
die ermittelten 1900 Wörter beziehen sich offenbar auf eine komplette Page – inkl.. Kommentare, Seiten- und Fußtexten. Ein Zusammenhang mit der Textlänge eines Beitrags bzw. Werbetextes ist also überhaupt nicht ableitbar, solange keinerlei Angabe zu den Verhältnissen von Beitrags- zu Beitext gemacht wird. Hinzukommt die riesige Bandbreite dieses Mittelwerts von etwas über 400 bis hin zu über 6000 Wörtern.
Außerdem gibts bei solchen statistischen Mittelungen ein grundsätzliches Problem: Sie zählen, wie viele Wörter auf den Top-Ranking-Seiten im Durchschnitt zu finden sind . Punkt. Hieraus aber lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass Google oder irgendeine andere Suchmaschine diese Zahl überhaupt berücksichtigt.
Insgesamt unterstreichen solch statistische Auswertungen, wenn man sie denn einigermaßen seriös deutet, Ihr Fazit (ich beschäftige mich gerade damit).
Herzliche Grüße
Ralf Ehlert
Dr. Annika Lamer meint
Lieber Herr Ehlert,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich gebe Ihnen völlig Recht. Den fehlenden Kausalzusammenhang habe ich in meinem Kommentar ja auch schon erwähnt. Insofern, na klar: Die Statistik ist ganz interessant, aber ohne weitere Aussagekraft für die SEO der eigenen Website.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Andy meint
Sie schreiben in Ihrem Artikel nur über Werbetexte. wie sieht es z.B. bei Artikeltexten für Produkte aus? Gibt es da eine untere Grenze, die man nicht unterscheiden sollte?
Was ist z.B. wenn die Wortanzahl für die Beschreibung eines Produktes nur 28 Wörter umfasst?
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Andy,
auch im Fall von Produktbeschreibungen würde ich aus Textersicht sagen: Schreiben Sie die Infos auf, die den Kunden zu Ihrem Produkt interessieren wird – nicht mehr und nicht weniger. Bei dem Produkt „Schnürsenkel“ zum Beispiel erscheint mir eine Wortanzahl von 28 durchaus realistisch. Es wäre wenig sinnvoll, hier irgendeine starre Untergrenze zu ziehen und die Beschreibung künstlich aufzubauschen.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Helmut meint
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Immer wieder ein sehr spannend sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Sophia meint
Vielen Dank für Ihren sehr hilfreichen Artikel, da unsere Hauptseite weniger als 200 Wörter enthielt und wir uns optimal bei Google Adsense bewerben wollten, haben wir dafür gesorgt, dass unsere Homepage mindesten 200 Wörter besitzt.
Sarah Kneitinger meint
Laut meinen Recherchen ist für Google ein Content von 400 – 700 Wörtern optimal 🙂 Wird auch hoch geranked by Google Search.
Udo meint
Hallo Frau Dr. Lammer,
obwohl wir schon recht gut gefunden werden in unserem Kreis Wuppertal, 30 km, finde ich den Artikel sehr spannend und habe festgestellt:
Ich sollte mir noch mehr Text einfallen lassen.
Was ich noch nicht gefunden habe:
Wie viel Wörter oder Zeichen sind optimal für Bilder und dem zugeordneten Text?
Mein Beispiel
Bild Datei: eiswagen-wuppertal-solingen-remscheid.gif
Text in der Datei Hochzeit-Eiswagen-Wuppertal-Solingen-Remscheid-Schwelm-Gevelsberg
Die 2, Frage:
Alle Urls habe ich mit Text versehen,
aber auch da findet man keine Auskunft, was zu viel, was zu wenig ist.
Ich würde mich freuen, einige Tipps zu erhalten.
Liebe Grüße
Udo Bertram (72)
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Bertram,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Da ich keine SEO-Expertin bin, kann ich Ihre Fragen leider nicht beantworten. Vielleicht kommen Sie ja doch noch mit Google weiter.
Herzliche Grüße
Annika Lamer