Website, Blog, Newsletter, Social Media – aber war da nicht noch was? Richtig, der gute alte Werbebrief, neudeutsch auch „Mailing“ genannt. Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, einen Werbebrief zu verschicken (oder lieber doch nicht?), ist dieser Artikel das Richtige für Sie.
„Alt“ trifft schon ziemlich den Kern des Problems, denn der Werbebrief macht einen etwas anachronistischen Eindruck. Er kommt auf dem Postweg daher statt übers E-Mail-Postfach und, entscheidender noch, er funktioniert nach dem klassischen Outbound-Prinzip. Will heißen: Ich als Unternehmer/in trage meine Botschaft nach draußen, in der Hoffnung, dass jemand „anbeißt“.
Anspruch und Realität
Ehrlicherweise empfehle auch ich lieber eine langfristige Inbound-Strategie, bei der die Kunden aus eigenem Antrieb zu Ihnen kommen. Aber die Realität sieht eben manchmal anders aus:
- Vielleicht brauchen Sie gerade jetzt Aufträge und können nicht warten, bis die neue Social-Media-Strategie greift.
- Oder Sie möchten lieber einmalig in einen Werbebrief investieren, anstatt immer wieder den Aufwand zu haben, einen Blog zu befüllen.
Trotzdem: Auch ein Werbebrief kostet Zeit und Geld. Wenn Sie beides nicht umsonst investieren möchten, sollten Sie sich im Vorfeld gründlich Gedanken machen.
Lohnt sich der Werbebrief noch?
Zuallererst steht natürlich die Frage: Bringt mir das Mailing etwas? Das hängt sehr von Ihrem konkreten Fall ab.
Fall 1: Sie haben ein lokal begrenztes Angebot
Werbebriefe sind nach wie vor kein schlechtes Mittel, wenn Sie Interessenten in der unmittelbaren Umgebung ansprechen möchten. Ein Kunde von mir betreibt beispielsweise eine Salzgrotte und wollte die umliegenden Seniorenheime ansprechen – dafür eignet sich der Werbebrief sehr gut.
Fall 2: Sie haben eine stark eingegrenzte Zielgruppe
Ihre Zielgruppe ist so überschaubar, dass Sie problemlos alle Zielgruppenvertreter in Deutschland anschreiben können? Auch dann kann sich der Aufwand durchaus lohnen. Sie haben dann zumindest alle potenziellen Kunden einmal angesprochen.
Fall 3: Sie haben ein massenkompatibles Angebot
Mit „massenkompatibel“ meine ich ein Angebot, für das es unzählige Anbieter gibt, das aber auch (fast) jeder braucht. Das trifft auf Sie zu? Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Empfänger schon bedient ist – sei es durch Eigenleistung oder andere Anbieter. Natürlich können Sie ihn dazu bewegen, das Pferd zu wechseln. Dafür brauchen Sie jedoch a) sehr gute Argumente und b) sehr viel Glück.
Fall 4: Sie haben ein innovatives Angebot
Wenn Sie ein Produkt vertreiben, nach dem niemand von sich aus googeln würde – weil es noch weitgehend unbekannt ist –, kann es sinnvoll sein, potenzielle Kunden über ein Mailing darauf aufmerksam zu machen. Der Haken: Es ist nicht leicht, Kunden mit den begrenzten Mitteln des Werbebriefs von etwas zu überzeugen, von dem sie bisher nicht dachten, dass sie es brauchen könnten.
Sie sehen, in Fall 3 und 4 machen sich schon unangenehme Zweifel breit. Sie wollen es dennoch versuchen? Dann lesen Sie hier meine Tipps.
Die wichtigsten Tipps für Ihren Werbebrief
1. Bewerben Sie nur ein Angebot auf einmal
Wahrscheinlich bieten Sie mehr als eine Leistung, mehr als ein Produkt an. Bewerben Sie trotzdem immer nur eins Ihrer Angebote auf einmal. Die Aufmerksamkeit des Empfängers ist ein sehr, sehr zerbrechliches Gut. Tragen Sie zu viel an ihn heran, kommt es leicht zur Überforderung oder Überreizung – und schon haben Sie verloren.
Ein Schlupfloch gibt es: Im PS haben Sie die Möglichkeit, kurz und knackig auf ein Zweitangebot hinzuweisen. („PS: Sie interessieren sich für …? Wir haben auch … im Angebot.“)
2. Konzentrieren Sie sich auf eine ganz bestimmte Zielgruppe
Ihr Werbebrief muss genau auf eine Zielgruppe zuschnitten sein, auch wenn Sie sie vielleicht künstlich schaffen müssen. Sind zum Beispiel sämtliche KMU Ihre Zielgruppe, beschränken Sie sich pro Kampagne trotzdem auf eine bestimmte Branche – Fitnesstudios, Möbelgeschäfte, Friseursalons … Auch eine regionale Einschränkung kann angebracht sein.
Wichtig: Ihre Fokussierung sollten Sie unbedingt auch im Text erwähnen („Sie als Fitnesstudio …“, „mit Fitnesstudios verbindet uns …“). Am besten ist, Sie finden einen Anknüpfungspunkt: etwa einen besonderen Anlass, eine Messe. So hat der Empfänger das Gefühl, nicht ganz so beliebig ausgewählt worden zu sein.
Natürlich steht es Ihnen frei, mehrere Versionen anzufertigen und auf diese Weise weitere Zielgruppen anzusprechen.
3. Gehen Sie auf Masse
Ihre Einschränkung auf eine bestimmte Zielgruppe bedeutet nicht, dass es mit ein paar Briefchen getan ist. Mit Ausnahme des stark lokalen Bezugs (Fall 2) müssen Sie sehr viele Briefe verschicken, um überhaupt einen Treffer zu landen.
Machen Sie sich keine Illusionen: Mailings funktionieren nach dem Gießkannenprinzip. Sie müssen sehr viel Wasser auf dem Betonboden vergießen, um mit viel Glück irgendwo einen Riss im Beton zu erwischen. Nur hier kann das Wasser auf fruchtbaren Boden treffen und – mit noch mehr Glück – einen kleinen Samen zum Leben erwecken.
4. Überzeugen Sie durch Sachargumente und Persönlichkeit
Ungefragt Werbung zu bekommen, ist für den Empfänger potenziell lästig. Es ist daher kontraproduktiv, jetzt noch in die Kerbe „nervige Werbung“ zu schlagen und Ihr Produkt allzu marktschreierisch anzupreisen. („Verpassen Sie nicht diese einmalige Gelegenheit! Tausende Nutzer sind begeistert!“) Dieser aufgeplusterte Kaffeefahrt-Stil ist nicht mehr zeitgemäß und wird Sie bei der Kundenakquise nicht weiterbringen.
Schlagen Sie lieber einen ganz natürlichen Tonfall an und überzeugen Sie durch Sachargumente. Was haben Sie anzubieten? Warum ist das für den Empfänger eine gute Sache? Zusätzlich sollten Sie auch die persönliche Ebene nicht vernachlässigen. Schreiben Sie Ihrem potenziellen Kunden als Mensch, nicht als anonymes Unternehmen. (Näheres dazu lesen Sie in meinem Artikel über Newsletter.)
5. Machen Sie ein besonderes Angebot
Gewinnt der Empfänger einen echten Vorteil, rechtfertigt das die „Belästigung“ durch den Werbebrief schon viel eher. So können Sie dem Kunden beispielsweise ein besonderes Kennenlernangebot machen oder ihm einen zeitlich beschränkten Rabatt anbieten.
Der Vorteil muss nicht unbedingt finanzieller Natur sein – auch andere Aktionen sind denkbar. Hauptsache, Sie stechen mit irgendetwas hervor: „Schau her, lieber Kunde, ich habe etwas Besonderes für dich.“ Achten Sie jedoch auch hier darauf, Ihr Angebot nicht zu marktschreierisch zu formulieren.
6. Beschränken Sie sich auf eine DIN-A4-Seite.
Ich erwähnte oben schon das zarte Pflänzchen Aufmerksamkeit. Mehr als eine DIN-A4-Seite sollten Sie dem Leser nicht zumuten. Und auch diese sollten Sie nicht „zuknallen“ – gönnen Sie dem Leser Luft durch Absätze und Zwischenüberschriften.
Gegebenenfalls können Sie aber einen Flyer mitsenden, in dem der Kunde weitere Informationen findet. Grafisch aufbereitet, ist er deutlich leichter zu konsumieren als ein langer Brieftext.
7. Schicken Sie Ihren Brief per Post
Auch wenn es noch so bequem wäre: In Deutschland dürfen Sie ohne Einverständniserklärung des Adressaten keine Werbung per E-Mail verschicken. Es bleibt nur der Postweg.
Vielleicht haben Sie auch schon mal den Tipp gelesen, die Öffnungschancen Ihres Briefes zu erhöhen, indem Sie ihn wie einen „echten“ Brief aussehen lassen. Dieser Strategie zufolge sollten Sie Ihr Mailing nicht als Infobrief verschicken, sondern mit einer normalen Briefmarke bekleben, sowie Logos und andere CI-Elemente auf dem Umschlag vermeiden. Konsequenterweise sollten Sie dann auch keinen Flyer mitschicken, denn der würde ja auch gegen einen „normalen“ Brief sprechen.
Ich persönlich finde das etwas schwierig. Ein Werbebrief ist ein Werbebrief und braucht diese Tatsache nicht zu verschleiern. Entscheiden Sie für sich, ob es Ihnen dieser kleine Anfangsvorteil wert ist, dass Sie dafür auf die Rabattpreise der Dialogpost (wie die Infopost inzwischen bei der Post heißt) verzichten.
8. Wiederholen oder nicht?
Sollten Sie ein und denselben Werbrief mehrmals rausschicken? Daran scheiden sich die Geister. Dafür spricht:
- Die meisten Menschen müssen ein Angebot mehrmals wahrnehmen, bevor sie bereit sind, sich damit zu beschäftigen.
- Mit einer wiederholten Aussendung erhöhen Sie die Chancen, beim Empfänger den richtigen Augenblick zu erwischen.
Dagegen spricht:
- Erhält ein Empfänger ein und denselben Brief mehrmals, kann genau dies den Unterschied machen zwischen einer angemessenen Kontaktaufnahme und ärgerlichem Spam.
- Immer wieder dasselbe rauszuschicken, beutetet auch, den Empfänger nicht wirklich ernst zu nehmen – als würde er es nicht merken.
Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass Sie zwar ein und demselben Empfänger mehrmals schreiben, aber mit leicht abgewandelten Inhalten. Finden Sie unterschiedliche Anlässe – eine Rabattaktion, ein Firmenjubiläum, der Beginn einer neuen Jahreszeit …
Ich persönlich finde ja: Einmal belästigen reicht. Möchten Sie einen längerfristigen Kontakt aufbauen, sind dafür andere Mittel geeigneter, etwa ein Newsletter oder Ihre Facebook-Seite. (Dafür muss, nein, darf sich der Kunde wohlgemerkt selbst anmelden.)
Fazit: Eine Aktion mit offenem Ausgang
Schaue ich mir diesen Artikel noch einmal an, fallen mir so einige negative Begriffe auf: ungefragt, nervig, Spam, Belästigung … Das ist genau die Grenze, auf der Sie als Werbebrief-Verschicker immer balancieren müssen. Solange Sie aufpassen, nicht auf die falsche Seite zu treten, ist alles ok.
Ob der Werbebrief in Ihrem ganz konkreten Fall etwas bringt, können Sie am Ende nur durch Ausprobieren herausfinden. Neben allem anderen gehört auch eine große Portion Glück dazu. Möglich, dass der Werbebrief genau Ihren perfekten Wunschkunden erreicht, der so und nicht anders auf Sie aufmerksam wird. Ob Sie dieses Glück haben werden, kann auch ich als Texterin nicht voraussagen.
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Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Werbebrief gemacht? Ich freue mich über Ihren Kommentar.
Michael Linnemann meint
Die Beschreibung des Gießkannenprinzips trifft es sehr gut. Unsere Firma hat seit 2015 ca. 3000 Werbebriefe in verschiedenen Aktionen herausgeschickt. Die Rücklaufquote belief sich auf magere 22 Adressen. Mit diesen Kontakten wurde jedoch nachweislich ein Umsatz von 300 Tsd. € generiert. Bei einem Werbemitteleinsatz von 25 Tsd. € sind wir mit diesem Ergebnis gut zufrieden. Wer weiß ob dieses über andere Kanäle ebenfalls möglich gewesen wäre. Wir sind in der Investitionsgüterbranche tätig und kontaktieren ausschließlich gewerbliche Kunden.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Linnemann,
vielen Dank für diese interessanten Erfahrungen. Ihre Bilanz fällt natürlich deshalb so positiv aus, weil Sie aus den 22 gewonnenen Kontakten so viel Umsatz generieren konnten. In anderen Branchen wird das nicht ganz so leicht sein.
Insofern ist Ihr Kommentar eine wichtige Ergänzung: Ob sich ein Werbebrief lohnt oder nicht, hängt auch davon ab, wie viel Umsatz ich pro gewonnenem Kontakt erzielen kann.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Frank Bindmann meint
Sehr geehrte Frau Dr. Lamer,
tatsächlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Responsequote von Werbebriefen mit Briefmarke wesentlich höher st, als bei freigestempelten Mailings.
Michaela Albrecht meint
Toller Artikel, der auch die Nachteile eines Werbemailings herausstellt. Denn genau die Nachteile sind es, die mich bisher haben davor zurückschrecken lassen, Werbemailings anzubieten.
Herzliche kollegiale Grüße
Michaela Albrecht
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Michaela,
danke für deinen Kommentar! Ja, der Werbebrief hat es nicht leicht …
Viele Grüße
Annika