Stellen Sie sich vor, Ihr Leser und potenzieller Käufer steht in der Küche. Sie selbst sitzen im Esszimmer. Was würden Sie ihm zurufen, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen?
Ein Leser, der sich auf Ihrer Website über Ihr Angebot informiert oder Ihren Werbebrief in der Hand hält, wird Ihnen im Zweifel nur wenige Augenblicke seiner Zeit schenken. In diesen wenigen Augenblicken müssen Sie sein Interesse wecken und Ihre wichtigsten Verkaufsargumente klar und einfach auf den Punkt bringen. Das aber ist oft gar nicht so leicht, erst recht, wenn Sie ein komplexes oder erklärungsbedürftiges Angebot haben. Ein guter Trick, um leichter zum Kern Ihres Angebots zu kommen, ist der sogenannte Küchenzuruf.
„Mensch Grete“: Henri Nannens Küchenzuruf
Der Küchenzuruf wurde von dem Verleger und langjährigen Chefredakteur des STERN Henri Nannen (1913-1996) erfunden. Nannen entwirft folgende Szene: Hans hat sich mit dem neuen STERN ins Esszimmer zurückgezogen, während sich seine Frau Grete in der Küche zu schaffen macht. Nach kurzer Lektüre ruft Hans seiner Frau in der Küche zu: „Mensch Grete, die in Bonn spinnen komplett! Die wollen schon wieder die Steuern erhöhen!’“
Damit hat Hans zwei Dinge geleistet: Mit dem ersten Satz gewinnt er zunächst die Aufmerksamkeit seiner Frau. Mit dem zweiten Satz bringt er die Aussage des Artikels kurz und bündig auf den Punkt, und zwar so, dass seine Frau sie sogar zwischen Tür und Angel und Geschirrgeklapper versteht. (Ja ja, Emanzipation lässt grüßen, das Beispiel stammt aus einer anderen Ära.)
Bessere Werbetexte mit dem Küchenzuruf
Ursprünglich auf den Journalismus gemünzt, lässt sich die Idee des Küchenzurufs auch prima für die Formulierung eines Werbetextes nutzen. Aus Nannens Küchenzuruf können wir nämlich eine Menge lernen:
- Prioritäten setzen: Was ist das Wichtigste? Nicht versuchen, alles auf einmal unterzubringen.
- Keine Satzungetüme, sondern kurze, klare Sätze.
- Keine schwülstigen Formulierungen. Lieber so schreiben, wie man redet.
- Keine schwierigen Fachbegriffe – so einfach wie möglich.
- Provozierendes, Persönliches schafft Aufmerksamkeit („die spinnen komplett“).
- Zielgruppe ansprechen („Mensch Grete“).
Wenn Sie also Ihr Angebot beschreiben wollen, erinnern Sie sich an Henri Nannens Küchenzuruf. Formulieren Sie Ihre Kernaussage in wenigen, einfachen Worten. Probieren Sie als Zwischenschritt tatsächlich einmal aus, Ihr Angebot Grete in der Küche zuzurufen. Wahrscheinlich werden Sie den Text danach noch einmal anpassen müssen, aber es wird Ihnen leichter fallen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Ein Beispiel: „Vom Sprudelwasser musst du doch immer so aufstoßen …“
Nehmen wir an, Sie vertreiben ein Produkt, das Sie bisher folgendermaßen beworben haben:
Mit der Original-Blubberkartusche verwandeln Sie Leitungswasser im Handumdrehen in ein erfrischendes Sprudelgetränk – ganz ohne Kohlensäure. Die Blubberkartusche lässt sich in jeden handelsüblichen Wassersprudler einsetzen. Beim Blubberwasser sorgt nicht die Kohlensäure für Sprudel, sondern ein spezieller, besonders bekömmlicher Zusatz. Kein Aufstoßen mehr, keine Magenprobleme. Eine Blubberkartusche reicht für 20 Liter Blubberwasser. Sparen Sie sich das Schleppen von Getränkekisten, aber verzichten Sie nicht auf Abwechslung. Neben der Geschmacksrichtung „Wasser“ stehen sechs prickelnde Geschmacksrichtungen von Waldmeister über Tollkirsche bis hin zu Green Banana zur Auswahl.
Würde Hans diesen Text Grete in der Küche zurufen? Wohl kaum. Überlegen Sie, was das wichtigste Verkaufsargument für Grete wäre. Vielleicht der Verzicht auf Kohlensäure:
Mensch Grete, vom Sprudelwasser musst du doch immer so aufstoßen. Jetzt gibt es Blubberkartuschen, mit denen kannst du deine eigenen Erfrischungsgetränke mixen, ganz ohne Kohlensäure – und sprudeln tut’s trotzdem.
Daraus ließe sich dann folgender Werbetext formulieren:
Hallo Sprudel, tschüss Kohlensäure: Mixen Sie Ihre Erfrischungsgetränke mit der Blubberkartusche. Blubberkartuschen sorgen für prickelnden Genuss ganz ohne Kohlensäure. Das schont den Magen und schmeckt.
Die weiteren Argumente für Ihr Produkt können Sie danach natürlich immer noch ins Feld führen. Aber Sie haben erst einmal das Wichtigste an den Mann (oder die Frau) gebracht – und mit etwas Glück Ihr Gegenüber aus der Küche gelockt.
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