„Schaue hier nach Deiner Filiale und spare bei unserem Extra Sale und erhalte ein Paar gratis.“ Ein typischer Shopping-Newsletter. Ich denke, nicht nur mir als Texterin fällt auf, dass das ungeschickt klingt. Woran krankt der Satz? Jep, an den Imperativen. Das will ich mir heute für Sie einmal näher anschauen – und Ihnen natürlich auch gleich Tipps geben, wie es besser geht.
Imperative im Rudel
Der Satz, den ich am Anfang zitiert habe, stammt original so aus dem Newsletter eines großen Schuhhandels. Der ganze Text:
Du solltest Dir mal wieder etwas Gutes tun, denn Du verdienst nur das Beste. Gönne Dir etwas Neues für Deine Schuhsammlung mit unseren Top Marken: …
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Was stimmt nicht? Zum einen klingt es befremdlich, überall ein -e dranzuhängen. Die meisten Imperativformen sind ohne -e gebräuchlicher.
- gönn dir was, schau hier nach, beeil dich (selten: gönne, schaue, beeile)
- hingegen: statte dich neu aus, erhalte ein Paar gratis (selten: statt, erhalt)
Davon abgesehen, was stört noch? Genau, der inflationäre Gebrauch von Imperativen.
Have a nice day – Amerika lässt grüßen
Ohne Zweifel sind die Imperative aus dem Englischen zu uns rübergeschwappt. Oft stehen englische Verkaufstexte Pate und dann wird das halt einfach eins zu eins so übersetzt. Have a nice 2020, habe ein schönes 2020.
Das funktioniert aber eben nur leidlich, denn im Englischen ist der Imperativ viel gebräuchlicher als im Deutschen. Meiner Vermutung nach liegt das daran, dass er genauso aussieht wie der Indikativ und daher gar nicht weiter auffällt. Hurry up, get your ticket now – das klingt viel entspannter als das deutsche Beeil dich, kauf jetzt dein Ticket.
Im Deutschen kommt der Befehlston mehr raus. Das wirkt nicht nur stilistisch ungelenk, sondern mehr oder weniger unhöflich. Viele Menschen reagieren richtiggehend allergisch darauf, sie fühlen sich drangsaliert.
Wie klingt es besser?
Was ist denn im Deutschen eher angebracht? Sie können den Infinitiv nutzen, also die Grundform des Verbs. Statt „Klicke hier“ schreiben Sie „Hier klicken“. Ja, ich weiß, das widerspricht dem Grundsatz, den Leser oder die Leserin möglichst direkt anzusprechen. In dem Fall ist der Infinitiv jedoch das kleinere Übel.
Wichtig ist die Abwechslung. Damit der Text rund klingt, nutzen Sie am besten verschiedene Satzkonstruktionen. Das zeige ich Ihnen mal Satz für Satz an dem Schuh-Newsletter:
Du solltest Dir mal wieder etwas Gutes tun, denn Du verdienst nur das Beste.
[Das würde ich weglassen – kommt nicht glaubwürdig rüber.]
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Aus den sieben Imperativen des Ausgangstextes habe ich also Folgendes gemacht:
- 1 Imperativ: Gönn dir etwas Neues
- 2 Infinitive: Jetzt noch mehr sparen, schnell sein lohnt sich
- 1 x zweite Person Singular: Eine große Auswahl findest du …
- 1 x dritte Person Singular: Hier geht es zur Filialsuche
- 2 x Verb ganz weggelassen: ein Paar gratis, zusätzlich 20 % auf verschiedene Schuhe
- 1 Frage: Du bist auf der Suche?
Eine weitere Möglichkeit – was hier jetzt nicht passte – sind Ich- bzw. Wir-Botschaften.
Haben Sie einen schönen Tag.
Besser: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Sende jetzt deine Anfrage.
Besser: Wir freuen uns auf deine Anfrage.
Noch ein paar Hinweise aus der Rechtschreibecke
Imperativ und Rechtschreibung – da gibt es viele Missverständnisse. Deshalb:
1. Ein Imperativ muss nicht ein Ausrufezeichen nach sich ziehen. Manche Menschen glauben das nämlich. Aber nein, ein Punkt reicht völlig aus.
2. Der Imperativ ohne -e wird ohne Apostroph geschrieben. Es ist keine Abkürzung, sondern eine vollwertige Form. Sie ist auch nicht umgangssprachlich.
3. Denken Sie daran, dass es unregelmäßige Imperative gibt.
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Richtig: Lies auch unsere anderen Beiträge.
Fazit: Vorsicht vor Imperativitis
Für Ihre Newsletter und Verkaufstexte gilt also: Übertreiben Sie es mit den Imperativen nicht. Ab und zu mal ist nichts dagegen einzuwenden, aber wie jeder Text lebt auch Ihr Verkaufstext von der Abwechslung. Ihre Leser*innen werden es Ihnen danken.
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Dagmar Wolf meint
Danke für die Vorschläge. Ich hasse es nämlich, als Nutzerin/Konsumentin etc. drangsaliert und angeschrieben zu werden. Genau so empfinde ich Imperative fast immer, auch ohne Ausrufezeichen (das Wort sagt es doch schon aus: Befehlsform, und da regt sich bei mir mal Widerstandsgeist, mal einfach nur Trotz). Deshalb kann ich inzwischen auch nicht mehr den Gruß „Bleiben Sie gesund!“ lesen.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Dagmar,
vielen Dank für deinen Kommentar. An ihm sieht man sehr gut, dass die Ablehnung bei vielen noch weitaus stärker ausgeprägt ist, als ich das jetzt formuliert habe. (Was daran liegt, dass ich recht sprachtolerant bin. 😉 )
Viele Grüße
Annika
Dina meint
Und ich dachte schon, ich wäre die einzige, der es so ergeht 🙂 Das gilt auch für das zurzeit so beliebte und gut gemeinte „Bleib gesund“ – Bleib doch selbst gesund!
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Dina,
das habe ich auch schon mitbekommen, dass das „bleib gesund“ sehr kontrovers betrachtet wird. Ich selbst sehe es nicht so streng, mir geht es vor allem um die Häufung.
Auf jeden Fall danke für Ihre Meinung!
Viele Grüße
Annika Lamer
Astrid Rappel meint
Liebe Frau Dr. Lamer,
ich freue mich jedes Mal, wenn ich Ihren Newsletter im Posteingang entdecke, und lese gespannt Ihre neuen Tipps.
Vielen herzlichen Dank, dass Sie mir helfen, meine Texte zu verbessern, und vor allem, dass Sie meinen Spaß beim Schreiben steigern – selbst wenn es sich nur um Emails handelt.
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Frau Rappel,
vielen Dank für das nette Feedback! Wenn ich den Spaß am Schreiben fördern kann, ist mein Ziel erreicht. 🙂
Viele Grüße
Annika Lamer
Christina Winne meint
Ich bin froh, dass Sie das Thema jetzt aufgreifen. Ich bin aktuell in regem Austausch mit Freunden über die derzeitige inflationäre Verwendung von Imperativen und negativen Wörtern. Dabei ist „Bleib gesund“ noch das Netteste. Ich ärgere mich über den permanenten Gebrauch von „Bleib zu Hause!“ „Halte Abstand“ und Ausdrücken wie „droht eine…“, „warnt vor…“, „ermahnt“. Was macht diese Sprache aktuell mit uns? Es fühlt sich an wie Unmündigkeit und Befehlsform.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Winne,
die ganze Corona-Sprache wäre eh noch mal einen eigenen Beitrag wert. Vielleicht mache ich das mal, danke für die Anregung. Andererseits denke ich immer, ich muss vielleicht nicht ausgerechnet auch noch über dieses allgegenwärtige Thema schreiben …
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Christina meint
Ich würde es gut finden, wenn Sie es aufgreifen. Selbst in den Firmen ist das „Bleib gesund.“ schon fast eine Unsitte geworden.
Claudia meint
Ich fände einen Artikel über das ganze „Corona-Sprech“ auch sehr lesenswert. Mir geht es mit den Imperativen auch so, dass ich mich schnell gegängelt fühle. Allerdings bin ich insgesamt empfindlich gegenüber Welterklärern und selbsternannten Erzieher*innen für Erwachsene. „Bleib gesund“ finde ich aus mehrerlei Hinsicht unsinnig. Erstens macht es überhaupt keinen Sinn, einen Befehl oder auch nur eine Aufforderung zum Gesundbleiben zu erteilen. Das passt aber prima in unsere Leistungs- und Selbstoptimierungsgesellschaft, die – pauschal und pessimistisch betrachtet – wenig im Herzen sitzendes Mitgefühl hat, wenn es mal nicht so läuft. Außerdem, gesund sein möchte man doch immer, nicht erst seit Corona. Also wäre es doch grundsätzlich eine schöne Grußformel, als Wunsch formuliert, also beispielsweise „Mögest du gesund bleiben“. Viele Grüße
Liane meint
Ja bitte. Ich wäre auch gespannt. Und Sie schaffen es garantiert, es auf eine wie immer so herzliche Art rüber zu bringen, sodass es nicht nervt, sondern Abwechslung rein bringt. ?
Dr. Annika Lamer meint
Vielen Dank, Christina, Claudia und Liane, für Ihre Ermutigungen!
Liebe Grüße
Annika Lamer
Heidi Frank meint
Liebe Frau Lamer,
mit viel Freude lese ich immer Ihre Newsletter. Als Assistentin nehme ich Ihre vielen Tipps sehr gerne auf. Und jetzt weiß ich auch endlich, wie das heißt, was mich so nervt: Der Imperativ (O-Ton) eines Kollegen:
„Lass es Dir schmecken“
„Fahr vorsichtig“
„Lach doch mal“
„Zieh nicht so ein Gesicht“
„Komm! Wir gehen jetzt erst mal eine Rauchen“
(Und ja, auch: „Bleib gesund“)
Bisher dachte ich, er sei einfach nur nervig. Nein, das ist Befehlston und grob unhöflich. Das werde ich jetzt auch so kommunizieren: „Hör auf!!!“
LG
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Frau Frank,
ich persönlich sage nicht, dass man so gar nicht reden darf. „Lass es dir schmecken“ und „fahr vorsichtig“ sind Redewendungen, die Ihr Kollege ganz bestimmt nicht befehlend meint.
Bei „lach doch mal“ und „zieh nicht so ein Gesicht“ liegt die Sache anders – aber wegen des Inhalts, nicht wegen der grammatischen Form. 🙂
Ich wünsche Ihnen gutes Kommunizieren,
viele Grüße
Annika Lamer
Werner Keller meint
Hallo Frau Dr. Lamer,
Sie haben den Unterschied zwischen dem angelsächsischen und deutschen Imperativ richtig erkannt. Dieses Problem liegt daran, dass die Deutschen dazu tendieren, englische Texte möglichst wörtlich zu übersetzen, anstatt sich um gutes Deutsch zu bemühen, was sich in den meisten Fällen daraus erklärt, dass man zwar Englisch spricht, aber die englische Sprache nicht richtig versteht. Diese Vorgehensweise führt stets zu unschönen oder sogar unhöflichen deutschen Formulierungen, die sich durch eine „sinnvolle“ – anstelle einer wörtlichen – Übersetzung vermeiden lassen,
Hans-Joachim meint
Hallo Frau Dr. Lamer,
mir geht es wie anscheinend den meisten Lesern: „Bleiben Sie gesund!“ kann ich nicht mehr hören/lesen, weil seit Anfang März praktisch jede E-Mail, jeder Brief so endet. Muss man den auch bei Texten, die nichts mit dem allgegenwärtigen Thema zu tun haben, die „Corona-Schlussformel“ wählen?
Und wo ich gerade beim Meckern bin: In Ihren Alternativvorschlägen zum Schuh-Werbetext war an einer Stelle die Originalformulierung zwar textlich dürftig, doch immerhin grammatisch korrekt. Ihr Vorschlag: „Du bist auf der Suche nach warmen Schuhe für die kalten Tage?“ ist zwar definitiv inhaltlich besser, doch grammatisch nicht ganz stimmig.
Viele Grüße
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Hans-Joachim,
oh ja natürlich, das war ein Tippfehler, passiert mir auch mal. Vielen Dank für Ihr aufmerksames Auge! 🙂
Viele Grüße
Annika Lamer
Jan-Mikael meint
Gegen ein „Bleib gesund“ als Wunsch finde ich absolut nichts auszusetzen. Je nachdem, wie es sich die nächsten Wochen entwickelt, kann man es sich hoffentlich sparen, da wir es dann wie sonst auch in Konversationen als selbstverständlich voraussetzen. Alles Gute 🙂
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Jan-Mikael,
tja, ich fürchte, das Thema wird uns noch ein wenig länger beschäftigen …
Für mich ist der Wunsch „bleib gesund“ auch nicht viel anders als „alles Gute“. Und das wünsche ich doch gern.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Edith ABels meint
Hallo Frau Lamer,
mein Problem mit der neuen Floskel „Bleib gesund“ ist weniger die Befehlsform als das, was dabei unausgesprochen mitschwingt, nämlich, dass die angesprochene Person zur Zeit gesund ist.
Aber nicht jeder Mensch ist „gesund“, viele Menschen haben beispielsweise chronische Erkrankungen die je nachdem mehr oder weniger das Leben beeinträchtigen, und oft wissen wir das als Mitmenschen ja gar nicht.
Gerade die Menschen, die ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufes bei Covid-19 haben, sind ja diejenigen, die bereits chronische Vorerkrankungen haben.
Meiner schwer an MS erkrankten und fast vollständig gelähmten Verwandten wünsche ich, dass sie von Covid-19 verschont bleibt, aber ihr „bleib gesund“ zu sagen klingt sehr unpassend. Finde ich jedenfalls.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Abels,
da haben Sie Recht. So gesehen ist der Satz sehr unsensibel.
Viele liebe Grüße
Annika Lamer
Urs meint
Liebe Frau Lamer,
noch grauenvoller als das überflüssige ‚e‘ finde ich den falschen Imperativ starker Verben, der einem in letzter Zeit überall geballt entgegenschlägt. Nicht nur von unzähligen Amateur-Bloggern, sondern auch auf Unternehmenswebseiten und neuerdings sogar von Lehrern.
Wie ist diese Unsitte entstanden und wieso wird dieser Fehler immer häufiger gemacht?
„Spreche jetzt mit deinem Berater“
„Lese den folgenden Text“
„Gebe hier den Löffel ab“
„Nehme 3 EL Zucker“
„Esse nicht zu viel Fett“
usw. usf.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Urs,
richtig, das spreche ich im Beitrag auch kurz an. („Denken Sie daran, dass es unregelmäßige Imperative gibt.“)
Ihre Frage: „Wie ist diese Unsitte entstanden und wieso wird dieser Fehler immer häufiger gemacht?“
Das ist einfach mangelnde Sprachsicherheit. Wenn man die unregelmäßige Form nicht im Kopf hat, bildet man den regelmäßigen Imperativ: lesen => lese.
Viele Grüße
Annika Lamer