Haben Sie schon mal daran gedacht, ein eigenes Sachbuch zu schreiben? Kaum etwas wird Ihren Expertenstatus so nach vorne katapultieren, als wenn Sie sagen können: „Hold my beer, hier ist mein Buch.“
Dennoch machen es die wenigsten Menschen. Logisch, sonst wäre es ja nichts Besonderes mehr. Denn so ein Buch ist eine Mammutaufgabe! Wie viel da dranhängt und wie Sie es dennoch schaffen können, zeigt das Buch meiner Netzwerkkollegin Daniela Pucher: „Zur Sache, Experten! Sachbuch schreiben und vermarkten. Eine 10-Schritte-Anleitung.“
Als Autorenberaterin und Ghostwriter für Wirtschaft und Psychologie hat Daniela jahrelange Erfahrung mit dem Abenteuer Sachbuch. Anfang des Jahres ist ihr eigenes Schätzchen rausgekommen – und ich habe es für Sie gelesen.
Erst denken, dann tippen
Daniela beginnt mit zwei wichtigen Punkten. Erstens, Ihr Buch muss Ihr Buch sein, es muss Sie als Person enthalten, Ihren individuellen Stempel. (Und zwar auch, wenn Sie einen Ghostwriter engagieren.)
Zweitens, auch ein Buch ist ein Produkt. Es durchläuft alle Phasen wie jedes andere Produkt. Es muss einen Bedarf treffen, eine Marktlücke, und es muss produziert, vermarktet und verkauft werden. Der erste Fehler wäre also, auf die immaterielle Kraft der Worte zu setzen, die durch den Äther schweben und schon ihre Leser*innen finden werden.
Im zweiten Kapitel geht es um die Frage, wie ein Sachbuch sich bezahlt macht. Nur selten werden Sie das in Verkaufserlös bemessen können. Stattdessen geht es auch um den Mehr-Umsatz, den Sie durch das Buch in Ihrem Kerngeschäft erzielen – weil Sie eben stärker als Experte oder Expertin wahrgenommen werden.
Aber auch die Motivation, anderen Menschen zu helfen, ist völlig in Ordnung. Das rät Daniela dann auch: Finden Sie Ihren Motor, sonst werden Sie nicht durchhalten.
10 Schritte zum Sachbuch
Nach diesen Vorbemerkungen beginnt Danielas 10-Schritte-Anleitung. Spoiler: Ums eigentliche Schreiben geht es nur in Schritt 6 und 7. Das macht sehr gut deutlich, dass es eben nicht damit getan ist, Ihr Wissen aufs Papier zu bringen.
In Schritt 1 bis 5 geht es um Dinge wie das richtige Thema finden, sich über die Zielgruppe klarwerden, den Inhalt konzipieren und die Verlagsfrage klären.
Erst dann geht es ans Schreiben. Daniela erklärt, warum Sie nicht bei Adam und Eva beginnen sollten, was ein szenischer Einstieg ist, wie Sie abgedroschene Phrasen vermeiden und warum das Ich so wichtig ist. Auf den ersten Wurf folgt der Feinschliff. Wie stellen Sie es an, dass Ihre Sätze leicht und lebendig klingen? Mit ihren Stiltipps liegt Daniela ganz auf meiner Linie.
Im Kapitel über Vermarktung schließlich zeigt Daniela verschiedene Möglichkeiten des Buchmarketings, vom Bloggen über Social Media bis zur Pressearbeit. Bleibt Schritt 10: Die Geburt des Buches feiern. Yay!
Zu bestimmten Themen holt sie sich noch Expert*innen dazu. Vier knackig gehaltene Interviews enthält das Buch.
Wie war die Lektüre?
Danielas Buch ist aus mehreren Gründen ein großer Gewinn.
1. Der Inhalt
Wer vorhat, ein Sachbuch zu schreiben, findet in „Zur Sache, Experten!“ einen absolut hilfreichen Leitfaden. Die einzelnen Schritte sind logisch aufgebaut und gut nachzuvollziehen. Dabei schafft Daniela den Spagat, ehrlich die Herausforderungen zu benennen, aber Neuautor*innen dennoch Mut zu machen.
Sehr schön auch, dass Daniela uns aus ihrer Insider-Warte konkrete Zahlen schenkt: Wie viele Stunden werde ich zum Schreiben brauchen? Was kann ich mit dem Buch verdienen? Das Ganze bringt sie sehr sympathisch und kompetent rüber.
2. Persönlichkeit
Es hat mich sehr beeindruckt, wie sehr aus jeder Zeile die Person Daniela spricht. Sie gibt Anekdoten aus ihrem Ghostwriter-Alltag zum Besten und erzählt auch Dinge aus ihrem persönlichen Leben – wie es ihr in der Schreibklausur in Kroatien ging oder warum sie so viele Triathlon-Bücher im Schrank hat. Das macht die Lektüre sehr nahbar und abwechslungsreich.
3. Die Sprache
Diese Persönlichkeit zeigt sich auch in der Sprache. Daniela plaudert, sie erzählt unheimlich locker, es macht richtig Spaß, ihr zuzuhören. Sie spielt mit der Sprache, traut sich was, nutzt Metaphern, verballhornt Redewendungen. All das macht sie mit einem herrlich humorvollen Augenzwinkern.
Als Texterin freue ich mich außerdem über ihre Genderkompetenz (männliche und weibliche Form im Wechsel) und dass sie so frech ist, vom Duzen in den Kapitelüberschriften zum Siezen im Fließtext zu springen (funktioniert!).
Auf diese Weise schafft Daniela mit ihrem Buch ein ganz tolles Kunststück: Es ist nicht nur wegen seines Inhalts interessant, sondern gleichzeitig ein Best-Practice-Beispiel, wie ein Sachbuch beim Lesen Freude bereiten kann.
Dann mal in die Vollen … oder?
Hat mir das Buch Lust darauf gemacht, mich selbst an einem Sachbuch zu versuchen? Ehrlich gesagt: Nein. Es ist (noch) nicht mein Medium. Und das ist ja auch völlig in Ordnung.
Wie geht es Ihnen? Haben Sie sich schon mal mit dem Gedanken getragen, unter die Autor*innen zu gehen? Vielleicht wird Danielas Buch der Anstoß sein, es endlich zu wagen.
Daniela Pucher, Zur Sache, Experten! Sachbuch schreiben und vermarkten. Eine 10-Schritte-Anleitung, Springer 2019.
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So bringen Sie Humor in Ihre Texte
Dr.-Ing. Manfred Zindel meint
Liebe Frau Lamer,
ich interessiere mich sehr für gutes Schreiben und habe selbst als Lektor und Dozent gearbeitet. Zur Zeit helfe ich mit, einen Verlag aufzubauen.
Zur Du-oder-Sie-Frage:
Ich kann den Kontrast einfach dadurch beschreiben, dass das Du gegenüber dem Sie die Distanz verkürzt – zum Guten („Ich bin auf deiner Seite“, „Ich liebe dich“) oder Bösen („Du Vollidiot, hast du noch alle Tassen im Schrank?“.) Der Folterknecht wird sein Opfer, dem er zu nahe kommt, wahrscheinlich duzen, und wenn ein Liebespaar intim wird, dann mit Sicherheit per Du. Alle übrigen Beschreibungen des Du-Sie-Gegensatzes lassen sich auf das Thema der Distanzverringerung zurückführen – sei es der körperlichen, sei es der emotionalen Distanz..
Wer das Verschwinden des Sie begrüßt, warum auch immer, der vergisst, dass damit auch die Besonderheit des Du verschwindet – dieses lebt ja vom Gegensatz, und wenn man keine Wahl mehr hat, sondern das Du allgemein ist, drückt es auch nichts Besonderes mehr aus, keine Solidarität, keine Intimität, ganz allgemein keine besondere Nähe mehr. Im Englischen (und wie ich lese auch im Schwedischen) versucht man diesen Gegensatz durch die Wahl zwischen dem Vornamen und dem Nachnamen wiederzubeleben („Mr. Miller? You’re welcome.“ – „John, please!“)
Zum Gendern:
Wer gut schreiben will, muss sich mit dem Thema Gendern herumschlagen. Einfach die sich langsam verbreitenden Gehorsamsübungen zu übernehmen, bringt nichts. Es löst eine Menge Missvergnügen aus und trägt es in die Texte, zumal es aufgezwungen wirkt. Gern möchte ich sprachliche Ungerechtigkeiten gegenüber dem weiblichen Geschlecht vermeiden. Aber so, wie sich das jetzt ergeben hat – oft erbarmungswürdige Schieflösungen teilweise wider jede Sprachlogik – denke ich: Gute Absicht, aber schlecht gemacht. So kann es nicht bleiben, und wer die deutsche Sprache liebt, sollte auf die Suche nach besseren Lösungen gehen. Das generische Maskulinum, gewiss, ist ungerecht. Aber wie sonst? Ideen gesucht.
Alles Gute
Manfred Zindel
Dr. Annika Lamer meint
Lieber Herr Zindel,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich gebe Ihnen recht, dass es unsere Sprache ärmer machen würde, wenn wir nicht mehr zwischen Du und Sie entscheiden könnten. Auch wenn diese Entscheidung viele Menschen stresst.
In folgendem Blogartikel finden Sie eine Diskussion darüber; ich habe dort auch ganz verschiedene Leserperspektiven zitiert: https://www.annika-lamer.de/duzen-oder-siezen-antworten-auf-eine-schwierige-frage/
Was das Gendern betrifft: Mit Kreativität und Flexibilität klappt das schon. Flexibilität: Der Sprache zugestehen, dass sie neue Ausdrücke und Schreibweisen aufnehmen kann. Kreativität: Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten zu gendern. Wenn man sie ausschöpft, ist es schon gar nicht mehr so schlimm.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Verlagsprojekt!
Herzliche Grüße
Annika Lamer