Manche Dinge im Leben sind einfach. Neue Schuhe kaufen, einen Handwerker beauftragen, eine Reise buchen – naja, ich geb’s zu, mehr oder weniger einfach. Aber es gibt Dinge, die sind noch viiiiel komplizierter. Welches ist das beste Handy für meine Bedürfnisse? Was kann diese Software? Für welche Versicherung soll ich mich entscheiden? Was bringt mir dieses Coaching-Angebot? Hier klicke ich als Verbraucher nicht so schnell auf „kaufen“ wie bei den neuen Schuhen. Ich brauche einen Text, der mir das Produkt erklärt und mich leitet.
In der Business-to-Business-Kommunikation schließlich sind Fachleute zwar oft unter sich, aber dafür geht es oft noch um weitaus kompliziertere Dinge. Ob Planetwalzenextruder oder Intralogistik-Assistenzsysteme: Auch solche Produkte müssen irgendwie verständlich dargestellt werden.
Wie gut, dass es Menschen wie meine Berliner Kollegin Monika Feldbusch gibt. Als Texterin für Erklärungsbedürftiges kämpft sie sich durch die komplexesten Materien, um daraus leserfreundliche, verständliche Texte zu machen. Ich kenne Monika aus meinem Netzwerk, aber so richtig „hängengeblieben“ ist sie mir durch ihren äußerst originellen Internetauftritt (www.monika-feldbusch.de). Im Interview erklärt sie, was ihre Arbeit ausmacht und was Sie beachten sollten, wenn Sie selbst ein erklärungsbedürftiges Produkt vertreiben.
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Wie kamst du dazu, dich ausgerechnet auf erklärungsbedürftige Produkte zu spezialisieren? Was reizt dich daran?
Vielleicht, weil mich neben der reinen Kommunikation besonders auch die Inhalte bzw. die Produkte interessieren. Das hat sich schon sehr früh herauskristallisiert.
Nach meinem Werbe-Studium an der Universität der Künste wollte ich unbedingt in einem Verlag arbeiten. Das hat auch geklappt. Meinen ersten Texter-Job hatte ich in einem Schulbuchverlag. So hatte ich beides, mein Lieblingsthema Kommunikation UND großartige Inhalte. Biologie, Physik, Englisch, Französisch, Geschichte, Deutsch – du klappst ein Buch auf und es geht rund. Meinen allerersten Prospekt habe ich zum Beispiel über das Leben eines Regenwurms gemacht. Wusstest du, dass ein Regenwurm an einem Tag so viel frisst wie er selbst wiegt? Ich finde das interessant.
Als ich dann in einer Kreativ-Agentur arbeitete, gab es auch genau die richtigen Etats für mich: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Meissner Porzellan … Es sind „Produkte“, ja einerseits. Aber mit so viel Geschichte und Geschichten drum herum – das ist Futter für meine grauen Zellen, inspiriert mich und macht einfach Spaß.
Jedes erklärungsbedürftige Produkt, das ich bewerbe, lässt mich ja auch schlauer werden. Weißt du, wie Meerwasser-Entsalzungsanlagen funktionieren? Oder dass es künstlerische Wissenschaftler gibt? Oder hast du schon mal eine Kamera gesehen, die in der minimal-invasiven Medizin eingesetzt wird? Das ist schon faszinierend. Auch weil es mir bei meiner Arbeit so viel Abwechslung bietet.
Es macht für mich schon einen Unterschied, ob ich einen Kaugummi bewerbe oder ein Schulbuch. Bei einem Kaugummi musst du den Leuten nicht erklären, wie man ihn konsumiert, Mund auf, Kaugummi rein, fertig. Bei Kaugummis geht es primär darum, sie verführerisch zu inszenieren. Erklärungsbedürftige Produkte sollte man natürlich auch verführerisch inszenieren, aber da ist mehr, man muss sie oft eben auch erklären, sie in den richtigen Kontext bringen. Das hat noch mal eine zusätzliche Qualität und ist eine Herausforderung, die ich sehr mag.
Heutzutage werden auch so komplizierte Dinge wie Versicherungen oder Handyverträge übers Internet verkauft. Auf der anderen Seite ist die Aufmerksamkeitsspanne im Netz kurz, Inhalte müssen leicht und schnell konsumierbar sein. Wie siehst du dieses Spannungsverhältnis?
Das Internet hat unsere Kommunikationsgewohnheiten mal eben auf den Kopf gestellt. Täglich werden neue Formate und Formen entwickelt, getestet, manche floppen, manche setzen sich durch. Da ist viel Bewegung.
Was heißt das nun für die Auftragskommunikation? Zuallererst: Sie muss ihren Weg zum Zielpublikum finden. Das ist leichter gesagt als getan. Für Texte heißt das, sie müssen auf den Punkt formuliert sein. Texte, die den Leser erreichen sollen, müssen gerade im Netz sofort ins Mark treffen, sie müssen präzise und gleichzeitig sympathisch sein. Wir können online nicht mehr mit charmanten doppelbödigen Rätsel-Headlines spielen – sie zu dechiffrieren, dazu wenden die Menschen keine Zeit mehr auf.
Das gilt übrigens für alle Produkte, seien sie nun erklärungsbedürftig oder nicht. Allerdings, wer Treffer-Kommunikation für Erklärungsbedürftiges machen will, muss sein Produkt in allen Details sehr genau kennen und wissen, welcher Produktvorteil wo am besten kommuniziert wird – und wie.
Welche Grundregeln sollte ein Unternehmer beachten, der ein erklärungsbedürftiges Produkt bewerben will?
Für erklärungsbedürftige Produkte gilt vieles, was für nicht-erklärungsbedürftige Produkte auch gilt. Es geht nicht ohne eine durchdachte Strategie, ein aussagekräftiges Briefing und das Herausarbeiten von Alleinstellungsmerkmalen – um nur einige Aspekte zu nennen.
Bei erklärungsbedürftigen Produkten gibt es allerdings einige Besonderheiten. Ich habe oft erlebt, dass zu viele Produktvorteile auf einmal kommuniziert werden sollten. Nach dem Motto „Unser Produkt hat nicht nur a, b, c – es hat sogar noch d, e und f! Und jeder Punkt ist wirklich wichtig“. Das ist schwierig, denn diese Einzeldetails überfordern jeden, der nicht täglich in der Produktwelt lebt und arbeitet, also die Zielgruppe.
Die Frage ist ja immer: Was möchten die Leute wirklich wissen? Wovon versprechen sie sich einen Nutzen? Also, mal einen Perspektivwechsel wagen, in den anderen hineindenken, das hilft schon.
Der Faktor „Zielgruppe“ ist bei erklärungsbedürftigen Produkten besonders wichtig. Welches Vorwissen bringt der Kunde mit? Interessiert ihn die Erklärung überhaupt oder kann er darauf verzichten? Gerade bei vielschichtigen Zielgruppen ist es sicher nicht einfach, hier eine Linie zu finden. Wie gehst du dabei vor?
Diese Frage ist nicht in einem Satz zu beantworten. In der Online-Kommunikation zum Beispiel stehen uns zahlreiche Kanäle zur Verfügung, über die wir die Kunden erreichen können. Und zusätzlich können wir je nach Kanal die Informationen über zahlreiche Ebenen anbieten. Bei Unternehmenswebsites steht meist auf der Startseite der Menü-Punkt „Produkte“ und je spezifischer die Auskünfte sind, die der Kunde sucht, desto tiefer geht er in die Site hinein, nach dem Prinzip, je detaillierter die Information, desto tiefer die Ebene.
Dieses Prinzip haben die Menschen verinnerlicht und sie suchen sich die Informationen, die sie zum aktuellen Zeitpunkt für ihr Anliegen brauchen. Sie können sich breit informieren, Unternehmenswebsite, soziale Medien, Wikipedia, Foren … Die Frage ist also eher, wie bereite ich die Informationen, respektive Erklärungen, kanaladäquat auf. Wichtig ist stets aber auch, dass die Informationen verständlich und gut strukturiert aufbereitet sind.
Ein häufiges Problem erklärungsbedürftiger Produkte sind die vielen Fachbegriffe. Für die meisten dieser Begriffe gibt es aber keine einfache Übersetzung. Hast du ein Rezept, wie man Fachbegriffe erträglicher macht?
Fachbegriffe sind ja nicht per se von Übel. Sie sind einerseits präzise und andererseits gehören sie zum täglichen Vokabular – beim Fachpublikum. Wenn ich also die Zielgruppe Lehrer ansprechen möchte, ist es wichtig Fachbegriffe zu benutzen, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen. Es wäre falsch, wenn ich „Handlungsorientierung“ oder „Binnendifferenzierung“ umständlich zu umschreiben versuchte.
Etwas anderes ist es natürlich, wenn man nicht das Fachpublikum, sondern den Endverbraucher in der Business-to-Consumer-Kommunikation anspricht. Hier wirken Fachbegriffe ja schnell wie Fachchinesisch und werden abgelehnt. Aber auch hier gibt es Begriffe, um die man nicht herum kommt. Und du hast recht, Fachbegriffe stören schon mal den Lesefluss. Da muss man schauen, dass man im Text eine gute Mischung hat und insgesamt aufgelockert formuliert, also sperrige Fachbegriffe in einfache Sätze einbaut, die Häufigkeit von Fachbegriffen begrenzt – oder wo es Sinn macht, die Begriffe tatsächlich umschreibt.
Du machst auch viele Erklärvideos. Ist das generell eine gute Möglichkeit, Erklärungsbedürftiges fassbarer zu machen? Oder gibt es auch Fälle, wo der Text dem Video überlegen ist?
Erklärvideos sind toll, wenn es darum geht, Neuartiges, Komplexes oder Schwieriges in kurzer Zeit unterhaltsam auf den Punkt zu bringen. Und in dem riesigen Informationsangebot, das uns allen zur Verfügung stehen, hat das Erklärvideo einfach den Vorteil, dass Menschen Videos nun mal gern anschauen – „It engages people“. Ein Erklärvideo ist oft aber nur der Einstieg in ein Thema, eine Art Appetizer bzw. ein Format, das einen Teilaspekt eines Themas behandelt.
Ob Text dem Video auch überlegen sein kann? Na ja, der Hauptunterschied von beidem liegt ja darin, dass Videos transitorisch sind und Texte statisch. Also, das Video läuft in einer vorgegebenen Geschwindigkeit von Anfang bis Ende durch und wird danach in der Regel nicht mehr angeschaut. Texte kann ich lesen wie ich will, wenn es sein muss von hinten nach vorn, schnell oder langsam, kann vor und zurückspringen und in meinem Tempo über das Geschriebene nachdenken. Vielleicht kann man es auf diesen Nenner bringen: Videos machen Spaß, sind aber flüchtig. Texte erfordern vom Leser mehr „Arbeit“, sind aber nachhaltiger.
Welches war das schwierigste Produkt, das du schon mal erklären durftest?
Es ist zwar kein Produkt, sondern eine Dienstleistung, aber das Schwierigste ist für mich schon die Eigenwerbung. Wie erkläre ich, was ich anbiete, was stelle ich besonders heraus, was hebt mich von anderen Anbietern ab, wie gestalte ich meinen Auftritt, meine Website. Da muss ich schon harte Nüsse knacken. Aber das ist ja auch klar, man hat einfach nicht die Distanz zu sich selbst …
Danke für dieses schöne Interview, Monika, das war sehr interessant.
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