Die deutsche Rechtschreibung gilt für alle. Oder doch nicht? Fakt ist: In der Werbung werden ganz gerne mal Regeln gebrochen. Bisher habe ich mich auf meinem Blog immer als Verfechterin korrekter Rechtschreibung gezeigt, den Duden fest in der Hand. Darf man in der Werbung nun Ausnahmen machen? Lesen Sie hier eine kleine Bestandsaufnahme – und meinen Rat an Sie als Unternehmer/in.
Regelbruch 1: Koppeln ohne Bindestrich
Den meisten großen Unternehmen ist diese Regel schnurz. Sie wollen ihren Markennamen „rein“ halten. Egal ob Ikea Katalog, Zalando Paket, adidas Produkte, Coke light Mann oder Nespresso Kapsel, nach einem Bindestrich sucht man vergeblich.
Was heißt das für Sie?
Nun, mit hoher Wahrscheinlichkeit sind Sie kein Großkonzern. Ich würde Ihnen daher zum Koppeln raten – sonst wirkt es leicht affektiert. Schreiben Sie also Harling-Prospekt und Harling-Gutschein („Harling“ nutze ich hier mal als fiktive Firma), nicht etwa Harling Prospekt und Harling Gutschein.
Für Google macht es übrigens meines Wissens keinen Unterschied, ob ein Wort mit Bindestrich angekoppelt wird oder nicht. SEO ist also kein Argument.
Regelbruch 2: Das kaufmännische Und („&“)
Trotzdem findet man das kaufmännische Und in der Werbung zuhauf. Denken Sie an die Edeka-Marke „GUT & GÜNSTIG“, an „Park & Ride“, an Menüpunkte und Überschriften wie „Mode & Beauty“, „Haus & Garten“ oder „Preise & Konditionen“.
Was heißt das für Sie?
Ich mag das &-Zeichen. Es ist wunderbar kurz und sieht dabei noch richtig gut aus. Anfangs habe ich für mein Unternehmen „Text & Konzeption“ als Untertitel verwendet. Irgendwann bin ich jedoch zähneknirschend zum „und“ umgeschwenkt – weil ich es als meine Verpflichtung als Texterin sehe, die korrekte Rechtschreibung hochzuhalten. Aber mal ehrlich: Sprache ist auch dazu da, dass man sie sich zunutze macht, mit ihr spielt. Sollte das „&“-Zeichen also total gut in Ihren Auftritt passen, sei’s drum. Allerdings bitte nur in schlagwortartigen Titeln, niemals im Satz („Erfahren Sie mehr über unsere Angebote & Leistungen“ – nee, bitte nicht).
Regelbruch 3: Wörter, die nicht im Duden stehen
Falsch, das stimmt so nicht. Sprachschöpfungen, in der Sprachwissenschaft auch Neologismen genannt, gab es schon immer. Also: Natürlich dürfen Sie auch Wörter verwenden, die nicht im Duden stehen. Viele Unternehmen nutzen ihren Markennamen, um daraus ein Verb zu bilden. Beispiele:
- Das flenst. (Flensburger Pilsner)
- Wer swirlt, hat’s leichter. (Swirl)
- Haben Sie heute schon geschweppt? (Schweppes)
Der Baumarkt Obi setzt sich sogar über die Grammatik hinweg, indem er den Firmennamen an eine Stelle setzt, an der eigentlich ein Adjektiv im Komparativ stehen müsste:
- Je Obi, desto mehr.
In den folgenden Beispielen schließlich werden bestehende Wörter zum Ausgangspunkt genommen, um durch minimale Änderungen den Markennamen unterzubringen („activieren“ statt „aktivieren“, „T-Online“ statt „online“):
- Actimel activiert Abwehrkräfte.
- Deutschland geht T-Online, gehen Sie mit!
Die Botschaft all dieser Sprachschöpfungen ist folgende: Unsere Marke ist so bedeutsam, dass sie Pate für ein neues, allgemeingültiges Wort steht. Etwa so, wie es Google tatsächlich gelungen ist. Das Verb „googeln“ hat bekanntermaßen längst Einzug in den Duden gefunden.
Was heißt das für Sie?
Sprachschöpfungen sind etwas Wunderbares. Aber sie müssen auch verstanden werden. Ihr Produktname wird wahrscheinlich nicht so bekannt sein wie die oben genannten Beispiele. Das Spiel damit könnte also auf Unverständnis stoßen. So wird den Slogan „Das harlingt Sie um“ wahrscheinlich niemand verstehen, der nicht den Firmennamen Harling kennt. Trotzdem: Probieren Sie’s aus, seien Sie kreativ.
Regelbruch 4: Grammatik-Schnitzer
Meinem subjektiven Eindruck nach haben sie zugenommen: Werbeslogans, die es mit der Grammatik nicht so genau nehmen. Der Trend geht zum Modalverb ohne Infinitivergänzung:
- Soo! muss Technik. (Saturn)
- Wir können nur billig! (Media-Markt)
- Er kann. Sie kann. Nissan.
- Vobis kann.
Normalerweise müsste hier ein Infinitiv folgen. Korrekt wäre etwa: „so muss Technik sein“, „wir können nur billig sein“, „er kann gut fahren“, „Vobis kann viel leisten“. Der Hintergedanke: Indem sich die Unternehmen in ihren Slogans nicht auf eine Aussage festlegen, wollen sie sich jede nur denkbare Interpretation offenhalten. Der Kunde ist aufgefordert, seine eigene Ergänzung zu finden – und ganz individuell für sich zu entscheiden, was Technik „muss“ oder was ein Nissanfahrer „kann“.
Ein weiteres Beispiel für einen bewussten Grammatik-Schnitzer ist der Slogan von Milka Lila Pause:
- Je zarter die Milka, desto lila die Pause.
Eigentlich müsste das Adjektiv „lila“ hier gesteigert werden, doch es lässt sich gar nicht steigern. Der Satz ist „falsch“ und wird trotzdem verstanden. Genau darin liegt der Reiz.
Was heißt das für Sie?
Den Obama-Leitspruch „Yes we can“ in seinen tausend Abwandlungen hat man schon zu oft gelesen. Es wäre daher nicht sehr originell, auf diesen Zug aufzuspringen. Andere grammatikalische Freiheiten können sie sich durchaus herausnehmen (siehe Beispiel Milka). Sie müssen jedoch aufpassen, dass man die Absicht dahinter erkennt. Beim Beispiel Milka ist das der Fall, weil der Leser die „Lila Pause“ im Satz erkennt. Das Schlimmste wäre, wenn der Kunde Ihr Spiel mit der Sprache für einen echten Fehler hält.
Fazit: Im Werbetext ist vieles erlaubt – aber nicht alles
Tatsächlich können Sie sich in der Werbung weit mehr herausnehmen, als es ein Schüler im Aufsatz tun dürfte. Das heißt jedoch nicht, dass Sie Rechtschreibung und Grammatik mit Füßen treten und schreiben können, wie Sie wollen. Zu viele Kunden würden es Ihnen krummnehmen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Welchen Regelbruch verträgt mein Slogan? Was versteht der Leser als Absicht, was lässt ihn den Kopf schütteln? Vor allem aber muss Ihr Regelbruch begründet sein. Er sollte Ihrem Werbetext einen Mehrwert bieten (wie das „&“-Zeichen) oder, noch besser, einen besonderen Witz hineinbringen.
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Friederike Leitner meint
Sehr interessant und verständlich geschrieben. Der Newsletter wird sicher eine Bereicherung in meinem Email-Postfach.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Leitner,
vielen Dank! Schön, Sie als Newsletter-Abonnentin begrüßen zu dürfen.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Stephan meint
Hallo Frau Lamer,
mein Kommentar ist der lebendige Beweis dafür, dass gute Inhalte im Netz auch über Jahre hinweg ihre Leser finden. Der Beitrag ist informativ und auch noch locker geschrieben. Sehr gut! Das „&“ finde ich auch sehr schön. Wenn es gar nicht geht, kann man es vielleicht durch ein + ersetzen, das zudem überwiegend positive Assoziationen weckt. Aber jetzt mal ehrlich: „Aber mal ehrlich“ ist ein unglücklicher Textbaustein. Dem aufmerksamen Leser oder Zuhörer wird man damit leicht das Gefühl vermitteln, bis hierher wäre alles nur Spaß oder gar gelogen gewesen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, vielen Dank noch einmal für die guten Hinweise hier auf Ihrer Seite!
Beste Grüße
Stephan
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Stephan,
vielen Dank für das nette Feedback!
„Aber mal ehrlich“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, der für mich nichts damit zu tun hat, dass man vorher gelogen hätte. Gemeint ist: „Aber Moment mal, wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es vielleicht doch nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint.“ Vor allem bezieht sich der Ausdruck NUR auf den vorangegangenen Satz, hier also auf die angebliche Verpflichtung, als Texterin die korrekte Rechtschreibung hochzuhalten.
Trotzdem möglich, dass Sie recht haben und der Ausdruck ungeschickt gewählt ist.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Peter meint
Hallo Frau Dr. Lamer!
Wie sieht es eigentlich mit dem Microsoft-Office-Paket aus? Häufig liest man – auch auf der Seite des Herstellers – „Microsoft Office-Paket“. Ist u. U. beides legitim?
Gruß
Peter
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Peter,
nach deutschen Rechtschreibregeln wäre Microsoft-Office-Paket richtig, doch greift hier die Ansicht, einen Markennamen keinesfalls durch einen Bindestrich zu „verhunzen“. Es ist also eine bewusste Aussetzung von Rechtschreibregeln, so wie ich sie im Beitrag beschrieben habe.
Herzliche Grüße
Annika Lamer