Unternehmensgeschichten sind eine hervorragende Content-Idee für die Über-uns-Seite. Wenn Sie erzählen, wie Sie angefangen haben und wie sich Ihr Unternehmen entwickelt hat, sagt das eine Menge über Sie und Ihr Unternehmen aus.
Das Problem: Die meisten Unternehmensgeschichten sind viel zu langatmig und uninspiriert. Im heutigen Beitrag stelle ich Ihnen einige Strategien vor, wie Sie Ihre Geschichte straffen und lebendiger gestalten können. Mit dabei: szenisches Storytelling und die Damals-heute-Technik.
Für wen ist die Unternehmensgeschichte geeignet?
Sie müssen kein alteingesessener Betrieb mit über 100-jähriger Geschichte sein, um eine Unternehmensgeschichte auf Ihre Website zu stellen. Entscheidend ist nämlich nicht in erster Linie, wie lange Sie schon am Markt bestehen, sondern welche Entwicklung Sie seit Ihrer Gründung mitgemacht haben.
Alles, was Sie brauchen, ist das Hier und Jetzt und ein davon abweichender Startpunkt. Der Startpunkt sollte zumindest ein paar Jahre in der Vergangenheit liegen, und wichtig ist, dass sich seitdem einiges für Sie verändert hat.
Für Einzelunternehmer ist die hier vorgestellte Unternehmensgeschichte weniger geeignet. In der Regel wird sich bei Ihnen nicht genug verändert haben, um den nötigen Bruch von Damals und Heute herzustellen. Natürlich werden auch Sie sich weiterentwickelt haben, aber das können Sie anders besser darstellen.
Vorsicht vor trockenen Unternehmensgeschichten
Leider tun sich viele Unternehmensgeschichten nicht gerade mit sprühendem Unterhaltungswert hervor. Das häufigste Problem: Die Unternehmensgeschichte gerät zu langatmig und trocken. Ein Beispiel (mit Fantasiebegriffen):
Die Bach GmbH wurde am 1. Oktober 1988 in der Hauptstraße 12 im hessischen Unterniederbach gegründet. 1989 erfolgte die Anschaffung von drei Spinselmaschinen des Typs E416-C. 1992 zog die Firma in den Gewerbepark von Unterniederbach um. Hier konnte der Maschinenpark um fünf Geröpsler des Typs K194-2 erweitert werden. Bis 1993 wuchs die Mitarbeiterzahl auf zehn Mitarbeiter und zwei Azubis an.
Je länger das Unternehmen besteht und je mehr Entwicklungen es mitgemacht hat, desto größer ist die Gefahr, in diese ziemlich dröge Erzählleier zu verfallen. Die Folge: austauschbare Unternehmensgeschichten an allen Ecken und Enden, die sich kaum jemand bis zum Ende durchliest.
Wie also schreiben Sie eine Unternehmensgeschichte, die Ihre Kunden interessiert, vielleicht sogar fesselt? Lesen Sie hier meine drei wichtigsten Tipps.
1. Tauschen Sie das Technische gegen das Menschliche
Mein erster Rat: Streichen Sie Zahlen und Fakten, wo sie nicht unbedingt notwendig sind. Wie detailliert muss der Kunde über die Entwicklung Ihres Maschinenparks oder Ihrer Mitarbeiterzahlen Bescheid wissen? Hinterfragen Sie immer, ob der Leser sich für eine bestimmte Information überhaupt interessiert.
Bringen Sie stattdessen das Menschliche ins Spiel: die Beweggründe, die Persönlichkeit des Gründers. Gerade als größeres Unternehmen sollten Sie die wertvolle Chance nutzen, sich menschlicher, nahbarer zu zeigen.
Denken Sie daran: Sie schreiben hier nicht für die Geschichtsbücher – da wäre eine objektive, sachliche Erzählweise angebracht –, sondern für Ihre Website. Sie dürfen also so subjektiv sein, wie Sie wollen. Das macht Ihre Erzählung umso authentischer.
2. Erzählen Sie auch von Widrigkeiten
Allzu glatte Erfolgsgeschichten sind auf Dauer langweilig. Gerade die kleinen Misserfolge – oder sagen wir: Herausforderungen – machen den Reiz einer Geschichte aus. Indem Sie zugeben, dass Sie auch mal mit Widrigkeiten zu kämpfen hatten, wirken Sie glaubwürdiger und gewinnen an Vertrauen und Sympathien.
Und keine Sorge – die Steine auf Ihrem Weg machen sie nicht im Hier und Jetzt klein. Im Gegenteil, der Erfolg hat Ihnen ja am Ende Recht gegeben.
3. Greifen Sie zwei, drei zentrale Punkte heraus
Nun komme ich zur angekündigten Damals-heute-Technik. Sie wird Ihnen auf jeden Fall helfen, die Gefahr der endlos-leiernden Unternehmensgeschichte zu umgehen.
Die Idee: Erzählen Sie nicht alles, sondern greifen Sie zwei, drei markante Punkte heraus, sogenannte Erzählstationen. Die erste Station kann Ihre Firmengründung sein oder auch ein anderer entscheidender Zeitpunkt in Ihrer Geschichte. Mitunter ist eine weitere Station nötig, zum Beispiel ein wichtiger Wendepunkt. Ihre letzte Station ist die Jetztzeit.
Die Vorteile der Damals-heute-Technik:
- Sie nutzen den Kontrast „damals vs. heute“. Das macht Ihre Geschichte spannender, markanter.
- Zwischenstationen werden einfach weggelassen – die Anschaffung dieser und jener Maschine im Jahr X, die Anmietung weiterer Räumlichkeiten im Jahr Y.
- Indem Sie sich auf zwei oder drei Zeitpunkte beschränken, können Sie sich jeder Erzählstation intensiver widmen. Sie haben die Chance, sich wirklich in die jeweilige Zeit und die Beweggründe des Gründers einzufühlen.
Auch Unternehmen mit über 100-jähriger Tradition können die Damals-heute-Technik nutzen – nur eben mit mehr Erzählstationen. Das ist „erlaubt“, weil Sie ja entsprechend mehr zu erzählen haben.
Zwei Beispiele
1. Klassische Erzählweise
In der klassischen Variante könnte Ihr Text in etwa so aussehen:
Als Bernhard Bach 1988 die Bach GmbH gründete, hatte er vor allem eins im Sinn: die unerwünschten Nebenprodukte von Spinselmaschinen und Geröpslern zu verhindern. Doch das war gar nicht so leicht …
Heute gehört die Bach GmbH zu den innovativsten Unternehmen im Bereich Spinselmaschinen und Geröpsler. Davon zeugen unsere …
Die erste Erzählstation steht in der Vergangenheitsform, die zweite im Präsens.
2. Szenisches Storytelling
Als zweite Möglichkeit möchte ich Ihnen ein besonderes Storytelling-Format ans Herz legen, ich nenne es „szenisches Storytelling“. Bei dieser Variante erzählen Sie eine ganz bestimmte, konkrete Szene aus Sicht eines Protagonisten.
Die ideale Erzählzeit ist die Gegenwartsform, weil dies die Situation besonders unmittelbar macht, wie eine Szene im Film. Jedoch blicken Sie nicht nur von außen auf die Szene, sondern quasi von innen – was auch die Gedanken und Empfindungen des Protagonisten beinhaltet.
Sie können sich das vielleicht wie einen Traum vorstellen. Der Gründer durchlebt noch einmal eine bestimmte Situation zu seinen Anfangszeiten und kann Gedanken und Empfindungen äußern, allerdings nur jene, die im Moment begründet liegen. Er hat also keinen Wissensvorsprung.
Mit einem Beispiel wird es sicher klarer:
Ein Spätsommertag im Jahr 1988. Bernhard Bach steht in seiner zur Produktionshalle umgebauten Garage und flucht. Seine selbst entwickelte Spinselmaschine macht immer noch Probleme … Hätte er doch bloß …
Zeitsprung ins Jahr 2016. Bernhard Bach läuft durch eine seiner drei Produktionshallen im hessischen Unterniederbach und lauscht dem gleichmäßigen Rattern der Geröpsler. Wie gut, dass …
Wenn Ihnen das zu radikal ist, ist aber auch eine Mischung aus klassischer und szenischer Erzählweise möglich (beispielsweise, indem Sie die erste Erzählstation in der Vergangenheitsform schreiben).
1. oder 3. Person?
Warum habe ich in meinen Beispielen eigentlich nicht die Ich-Perspektive gewählt? Nun, möglich wäre es schon:
Als ich 1988 die Bach GmbH gründete, hatte ich vor allem eins im Sinn: die unerwünschten Nebenprodukte von Spinselmaschinen und Geröpslern zu verhindern. Doch das war gar nicht so leicht …
Allerdings ist es in der 1. Person mitunter problematisch, sich selbst zum Helden der Geschichte zu erheben. Gerade wenn es etwas getragen wird – Sie also quasi die historische Bedeutung des Gründers für die Firma darstellen wollen –, bekommt die Ich-Form schnell einen negativen Beigeschmack. Die 3. Person ist daher in der Regel besser geeignet.
Sie können trotzdem in Ihrer zweiten Erzählstation – dem Jetzt und Heute – in die Wir-Form wechseln. Solche Brüche macht der Leser durchaus mit, wenn Sie den Cut deutlich genug machen.
Beim szenischen Storytelling müssen Sie hingegen bei einer Erzählperspektive bleiben, damit es funktioniert.
Zeitgeschichtlicher Kontext
Wenn Ihre Firma schon ein paar Jahrzehnte besteht, möchten Sie vielleicht den zeitgeschichtlichen Kontext mit einfließen lassen. Wie war das damals, als die Geröpsler noch in den Kinderschuhen steckten? Als keine Frauen an den Spinselmaschinen arbeiten durften? Als Schichten von 12 und mehr Stunden der Normalfall waren?
Greifen Sie den zeitgeschichtlichen Kontext auf, ohne es zu sehr nach historischer Abhandlung klingen zu lassen. Achten Sie darauf, nicht „von oben herab“ zu dozieren, sondern die damalige Situation möglichst lebendig darzustellen.
Variante Storytelling: Beim szenischen Storytelling gibt es keinen allwissenden Erzähler, der mit Hintergrundinfos aufwarten könnte. Sie sollten immer in der konkreten Situation bleiben. Statt „Die Spinselmaschinen waren bis 1992 noch von Hand zu bedienen“ schreiben Sie zum Beispiel:
Bernhard Bach reibt sich die schmerzenden Finger. Schon wieder hat er sich an der Spinselmaschine geklemmt.
Wenn Sie doch etwas erklären müssen, lassen Sie die Erklärung wie die spontanen Gedanken des Protagonisten klingen:
Bernhard Bach reibt sich die schmerzenden Finger. Schon wieder hat er sich an der Spinselmaschine geklemmt. Da sich die Maschinen nur von Hand bedienen lassen, bleibt das leider nicht aus.
Kurze Ausflüge durch die Zeit
Nicht immer werden Sie sich streng auf einen bestimmten Erzählstandpunkt beschränken wollen. Was also, wenn Sie in der Erzählung ein paar Jahre vor- oder zurückgehen möchten? In Maßen ist das möglich. Achten Sie dabei auf die richtige Zeitenfolge.
Erzählzeit = Präteritum:
Bernhard Bach gründete (Präteritum) die Bach GmbH im Jahr 1988. Als Kind hatte er von seinem Vater gelernt (Plusquamperfekt), wie … Doch schon in wenigen Jahren sollte ein Umzug alles ändern (Hilfsverb sollen, mit dem eine spätere Zeitebene in der Vergangenheit ausgedrückt wird).
Erzählzeit = Präsens:
Bernhard Bach gründet (Präsens) die Bach GmbH im Jahr 1988. Als Kind hat er von seinem Vater gelernt (Perfekt), wie … Doch schon in wenigen Jahren wird ein Umzug alles ändern (Futur I).
Variante Storytelling: Beim szenischen Storytelling sind Zeitsprünge streng genommen nicht möglich. Wie beim zeitgeschichtlichen Kontext können Sie sich aber mit den Gedanken des Protagonisten behelfen – zumindest für die Vergangenheit:
Bernhard Bach reibt sich die schmerzenden Finger. Schon wieder hat er sich an der Spinselmaschine geklemmt. Wie gut, dass sein Vater ihm beigebracht hat, wie …
Fazit: Romanfeeling statt Geschichtsbuch
Um Ihre Kunden mit Ihrer Unternehmensgeschichte nicht zu langweilen, sollten Sie sich davon verabschieden, Ihre Geschichte möglichst sachlich und objektiv – wie für ein Geschichtsbuch – niederzuschreiben.
Streichen Sie Zahlen und Fakten, stellen Sie das Menschliche in den Mittelpunkt, erzählen Sie auch von Widrigkeiten. Vor allem aber: Seien Sie kreativ. Die Damals-heute-Technik hilft Ihnen, sich in zwei oder drei Zeitpunkte Ihrer Geschichte intensiv einzufühlen. Aber auch wenn Sie sich für eine chronologische Erzählung entscheiden: Tun Sie Ihren Lesern etwas Gutes und bringen Sie ein wenig „Romanfeeling“ hinein.
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Isabelle Weiss meint
Durch den rasanten Wandel im Übersetzungsgewerbe (mit künstlicher Intelligenz ausgerüstete maschinelle Übersetzung) und die z.T. lieblosen und kaum aussagekräftigen Ausgangstexte sind wir als ÜbersetzerInnen zunehmend gezwungen, uns aufs Texten zu verlegen. Neudeutsch heißt das dann „Transkreation“. Aus diesem Grund habe ich mich im Internet nach einschlägigen Anregungen und Tipps umgesehen. Der erste Treffer war ein Volltreffer, deshalb werde ich gar nicht weitersuchen: Dr. Lamers Website/Blog ist originell, praxisorientiert und vollgepackt mit nützlichen Hinweisen zu relevanten Fragen und Themen. Da wird lange Erfahrung und breites Wissen auf unprätenziöse und witzige Art vermittelt – wirklich super! Ich freue mich schon jetzt auf den Newsletter und das Floskelhandbuch. Ein großes Dankeschön!
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Weiss,
vielen Dank für diesen Extra-Motivationsschub! Ich freue mich sehr darüber. 🙂
Viele Grüße
Annika Lamer
MJ meint
Die Erklärung war toll und ich habe mich sehr über den Geröpsler amüsiert. 😀