Sie finden, Ihr Produkt verdiene es, in all seinen guten Eigenschaften beschrieben zu werden – und noch ein paar mehr? Es kann Ihnen gar nicht exklusiv, attraktiv und einzigartig genug sein? Dann leidet Ihr Werbetext vermutlich an akutem Adjektiv-Overkill (1 Euro in die Anglizismus-Kasse). Wie Sie Ihren Text wieder entschlacken, verrät Ihnen der heutige Beitrag.
Die Adjektivpolonäse
Mehr als zwei Adjektive hintereinander wirken beim Lesen ermüdend – mit dem Ergebnis, dass keines davon beim Leser hängenbleibt:
*die umweltfreundlichen, abwaschbaren, leuchtstarken Farben
Besser ist es, die Adjektive zu entzerren und verbal auszuformulieren:
Die leuchtstarken Farben sind umweltfreundlich und lassen sich leicht wieder abwaschen.
Also: Drehen Sie der Adjektivpolonäse die Musik ab und lassen Sie sie lieber getrennt antanzen.
Adjektive en masse
Generell tut es einem Text nicht gut, wenn zu viele Adjektive in zu großer Nähe zueinander auftreten:
*Mit der umweltfreundlichen, leuchtstarken Farbe zaubern Sie fantasievolle Muster und beeindruckende Effekte auf Ihrer Wohnzimmerwand. Sollte etwas danebengehen, sorgen der geschmeidige Spezialschwamm und das wirkungsvolle, geruchsarme Lösungsmittel wieder für weiße Wände.
Was kann weg? Nur die Besten bleiben übrig:
Mit der leuchtstarken Farbe zaubern Sie fantasievolle Muster und Effekte auf Ihrer Wohnzimmerwand. Sollte etwas danebengehen, sorgen Spezialschwamm und Lösungsmittel wieder für weiße Wände.
Redundante oder unwichtige Adjektive
Etwas war das leuchtende Vorbild für Ihr Produkt? „Vorbild“ allein sagt dasselbe aus. Also: streichen. Hinterfragen Sie jedes Adjektiv, ob es zur Beschreibung Ihres Produkts wirklich nötig ist:
*Das Set beinhaltet eine praktische Schere, einen handlichen Gemüsehobel und ein scharfes Messer.
Wirkliche Aussagekraft haben die verwendeten Adjektive nicht. Sie können den Satz also getrost kürzen zu:
Das Set beinhaltet Schere, Gemüsehobel und Messer.
Oder Sie ersetzen das Adjektiv durch eine aussagekräftigere Eigenschaft:
*ein scharfes Messer => ein rostfreies Messer
Beachten Sie dabei jedoch Tipp Nr. 2 und dosieren Sie Ihre Adjektive sparsam.
Abgenutzte Werbeadjektive
Wann haben Sie das letzte Mal in einem Werbetext eines der folgenden Wörter gelesen?
exklusiv, sensationell, attraktiv, bestechend, brandaktuell, einzigartig, erstklassig, wegweisend, fantastisch, traumhaft
„Ständig“, werden Sie jetzt wahrscheinlich antworten. Aber was sagen diese Begriffe aus? Nur, dass der Werbende sein Produkt über den grünen Klee lobt. All diese Adjektive sind letzten Endes inhaltsleer. In Ihrem Werbetext haben sie daher nichts zu suchen.
Beschreiben statt bewerten
Dass Ihr Produkt „fantastisch“ ist, ist eine nicht nachprüfbare Bewertung Ihrerseits. Erlauben Sie dem Leser lieber, sich selbst ein Bild zu machen. Statt …
*die Mütze aus herrlichem Garn mit exklusiver Bordüre
schreiben Sie lieber:
die Mütze aus leichtem Garn mit grauer Bordüre.
Dann kann der Leser selbst entscheiden, ob er leichtes Garn herrlich findet.
Ja, bitte: Adjektive außerhalb der Norm
Besonders gut sind Adjektive, wenn sie etwas Überraschendes an sich haben. Wenn sie außerhalb ihres üblichen Kontextes genutzt werden, wenn sie mit Sprache spielen oder widersprüchlich sind:
dieses Fahrrad ist komfortabel, ohne spießig zu sein
Um originelle Adjektive für Ihr Produkt zu finden, probieren Sie die folgende Übung aus: Stellen Sie sich den typischen Nutzer Ihres Produktes vor. Wie ist dieser Mensch? Die gefundenen Adjektive übertragen Sie dann einfach auf das Produkt:
die Beanie-Mütze: gelassen und souverän
Schon sind Sie Ihrem Mitbewerber, dessen Mütze einfach nur „attraktiv“ ist, einen großen Schritt voraus.
Die Bonus-Frage: Komma oder nicht?
Zu den größten Rechtschreibhürden beim Adjektiv gehört die Frage, ob man zwischen zwei Adjektive ein Komma setzt. Die Antwort:
- Bei gleichrangigen Adjektiven, die eine Art Aufzählung bilden, setzt man ein Komma.
- Wenn das zweite Adjektiv hingegen fest zu dem Substantiv gehört, setzt man kein Komma.
Klingt kompliziert? Folgender Trick wird Ihnen helfen: Setzen Sie gedanklich ein „und“ zwischen die Adjektive. Klingt es gut, gehört ein Komma hin. Klingt es unnatürlich, setzen Sie keins.
der ph-neutrale[,] umweltschonende Reiniger
=> der ph-neutrale und umweltschonende Reiniger?
Das klingt gut; das Komma ist erforderlich („der ph-neutrale, umweltschonende Reiniger“). Bei dieser Schaufensterdeko hingegen hat der Ladeninhaber seinen ersten Eindruck leider verspielt:
ein guter[,] erster Eindruck
=> ein guter und erster Eindruck?
Da stimmt etwas nicht, also: kein Komma („… um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen“ wäre richtig).
Fazit: Hüten Sie sich vor der Adjektiv-Falle
Adjektive sind etwas Wunderbares: wenn sie dazu dienen, eine Sache näher zu beschreiben, wenn sie überraschen oder zum Nachdenken anregen. Adjektive können jedoch auch etwas Schreckliches sein: wenn sie exzessiv eingesetzt werden, wenn sie abgedroschen sind oder einen Text unnötig beschweren.
Um nicht in die typische Adjektiv-Falle vieler Werbetexte zu tappen, gehen Sie am besten wie folgt vor: Verwenden Sie in erster Linie beschreibende Adjektive, würzen Sie das Ganze, wenn es passt, mit ein paar originellen Adjektiven – und streichen Sie dann die Hälfte weg.
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Stephanie Esser meint
Danke für den Tipp mit der „und“-Probe. Ich habe immer Mühe, meinen Kunden zu erklären, warum ich da jetzt (k)ein Komma zwischen die Adjektive gesetzt habe. In Zukunft werde ich lässig das Und aus der Tasche ziehen 🙂
NK meint
Sie haben recht damit, dass Adjektive durch die Werbesprache sehr überstrapaziert werden. Doch gilt diese Sichtweise aus meiner Erfahrung heraus. zum Großteil nur für diejenigen, die sich mit Sprache bewusst auseinandersetzen. Hans-Peter Förster (Corporate Wording) empfiehlt für bestimmte Zielgruppen noch immer die von Ihnen angesprochenen Adjektive. Das können Sie auch hier noch einmal nachlesen. Die Beispiele sind aus dem Buch von Förster: http://www.inhalt-ug.de/adjektive-content-marketing/. Einige mögen – wie Sie schreiben -. inaltsleer sein oder nicht zu den konkret beschreibenden Wörtern zählen. Dafür haben sie jedoch für Zielgruppen wie Emotionale und Impulsive, um bei Förster zu bleiben, eine eigene Anziehungskraft. Der Autor muss natürlich darauf achten, dass in einem Text die Verwendung von aufmerksamkeitserheischenden Adjektiven nicht überhand nimmt. Letztendlich, denke ich, kommt es aber tatsächlich darauf an, wen Sie ansprechen und welche (guten) Erfahrungen diese Menschen mit dem Adjektiv oder auch anderen Wortklassen verbinden. „Traumhaft“ ist zum Beispiel inhaltsleer, aber Menschen lassen ihre Erinnerungen, die sie mit dem Wort verknüpfen, einfließen und füllen damit das „leere Gefäß“ auf. Es ist daher ein Wort, das positive Emotionen noch immer erwecken kann.
Ihre Vorschläge zu den konkreten Beispielen finde ich sehr treffend – und wenn sich das Unternehmen oder der Autor mit dem Thema auskennt, sollten diese auch Verwendung finden. Ein Werbetext, der nicht nur ein positives Gefühl zurücklässt, sondern dem potenziellen Käufer einen konkreten Eindruck vom Produkt hinterlässt, mit dem er etwas anfangen kann, wäre sozusagen der Hauptgewinn. Mit der Erwartungshaltung spielen, ist eine stilistische Methode, die sehr viel Sprachgefühl erfordert, aber bei Gelingen umso effektiver ist. Sich die Produkte im Kontext zum Nutzer vorzustellen, ist ein wirklich guter Tipp! Danke für den Beitrag!