In meinem Einführungsartikel zum Thema Storytelling habe ich es bereits erwähnt: Eine der absoluten Grundentscheidungen für Ihre Storytelling-Strategie lautet „fiktional oder nichtfiktional“. Sprich: Berichte ich über echte, persönliche Erlebnisse aus meinem Unternehmensalltag – oder greife ich lieber auf eine ausgedachte Geschichte zurück, um meine Botschaft zu vermitteln? Mit dieser Frage will ich mich heute etwas näher beschäftigen.
Beispiele für fiktionales und nichtfiktionales Storytelling
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, narrative Momente in Ihren Unternehmensauftritt zu integrieren. Ein paar Beispiele:
- Nichtfiktional/authentisch:
- Sie oder Ihre Mitarbeiter berichten aus dem Unternehmensalltag
- Entwicklung eines Produktes
- Aufbau einer neuen Filiale
- Vorbereitungen für ein Event
- Fiktional/ausgedacht:
- Abenteuer eines Maskottchens
- ein Produkt anhand einer Metapher erklären
- einen Krimi schreiben
Schnell wird deutlich, dass Ihnen authentische Geschichten weit weniger abverlangen. Schließlich können Sie aus dem schöpfen, was bereits vorhanden ist, und müssen nicht erst die Kreativmaschine anwerfen. Trotzdem ist diese Art Storytelling nicht für jedes Unternehmen geeignet.
Warum authentische Geschichten nicht immer unproblematisch sind
Es sind vor allem drei Aspekte, die bei einer authentischen Storytelling-Strategie Probleme bereiten:
1. Sie möchten eigentlich nicht so viel von sich preisgeben.
Zugegeben, in der Social-Media-Ära wirkt dieses Argument fast schon ein bisschen weltfremd. Trotzdem empfinden noch viele Unternehmer so, und wenn es Ihnen auch so geht, brauchen Sie sich dafür nicht zu schämen. Nicht jeder tritt sein Leben gerne in der Öffentlichkeit breit, und sei es sein unternehmerisches.
2. Sie dürfen nicht so viel über Ihr Geschäft bzw. Ihre Kunden preisgeben.
In vielen Branchen ist es alles andere als ratsam, über konkrete Aufträge zu berichten. Die Kunden von Anwälten, Business Coaches oder anderen „sensiblen“ Berufsgruppen werden wenig begeistert sein, ihre Probleme in der Öffentlichkeit breitgetreten zu finden, egal ob anonymisiert oder nicht. Und auch für Ihr eigenes Geschäft müssen Sie gewisse Betriebsgeheimnisse wahren (etwa was mein Beispiel „Entwicklung eines neuen Produktes“ betrifft).
3. Ihre Branche bietet nicht genügend Stoff für Geschichten.
Es wird zwar gerne gesagt, jede Branche eigne sich für gute Geschichten, aber das ist nicht ganz wahr. Ich als Texterin wüsste nicht, was für spannende Geschichten ich aus meinem Unternehmensalltag berichten sollte. Dafür sitze ich zu viel am Schreibtisch. Generell gilt: Je mehr Sie mit Menschen zu tun haben, desto einfacher wird. Womit Sie aber wiederum das Problem des Kundengeheimnisses hätten (siehe Punkt 2).
Greifen Sie hingegen auf eine fiktionale Geschichte, eine Kunstfigur zurück, haben Sie diese drei Probleme nicht.
Warum fiktionale Geschichten trotzdem nicht leichter zu erzählen sind
Der Vorteil des fiktionalen Storytelling liegt also auf der Hand: Sie brauchen keine Angst zu haben, sich in die Nesseln zu setzen. Ist ja eh alles ausgedacht. Der Haken: Eine fiktionale Geschichte muss schon sehr gut sein, um den Leser zu fesseln. Und zwar sowohl vom Plot her als auch sprachlich.
Diese Herausforderung wird oft unterschätzt. Denken Sie nicht, Sie müssten nur irgendeine Geschichte erzählen, damit Ihnen die Leute zuhören. Die wenigsten Leser haben Zeit und Lust, sich durch eine langatmige, uninspirierte Geschichte zu quälen. Fehlt die gute Idee dahinter – ein origineller Plot, eine überraschende Wende –, werden Ihre Bemühungen in einem eher peinlichen Licht erscheinen.
Das Authentische als Wert
Bei echten Erlebnissen hingegen sind die Ansprüche weniger hoch. Diese Geschichten leben schlichtweg davon, dass sie echt, das heißt authentisch sind. Der Leser erfährt etwas über mich als Person, über meinen Unternehmensalltag. Das Authentische macht den Reiz aus.
Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie betreiben eine Eventagentur. Eine nichtfiktionale Strategie wäre, bei Facebook regelmäßig über die Vorbereitungen zu einem wichtigen Event zu berichten. Heute wählen Sie das Catering aus, am nächsten Tag schlagen Sie sich mit den Tücken der Lichtanlage herum etc. Alles kein Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm, aber für den Kunden trotzdem nett zu lesen – weil er in Ihrer Geschichte das echte Leben spürt.
Fiktionale Geschichten müssen als solche erkennbar sein
Und was, wenn Sie das Ganze fiktional aufziehen wollen? Abgesehen davon, dass sich aus den „normalen“ Eventvorbereitungen schwerlich ein spannender Plot stricken lässt, stellt sich ein weiteres Problem. Fiktionale Geschichten müssen als solche deutlich zu erkennen sein. Es reicht also nicht, wenn Sie sich irgendwelche interessanten Vorbereitungsmaßnahmen ausdenken. Geben Sie sich niemals den Anstrich des Authentischen, wenn Sie eigentlich nur fabulieren. Das verwirrt Ihre Leser und lässt Sie im schlimmsten Fall unehrlich erscheinen.
Eine mögliche Lösung sieht so aus, dass Sie die erzählten Aktivitäten in ein anderes Feld übertragen. So könnten Sie von den Vorbereitungen zu einem intergalaktischen Raumtreffen berichten. Oder Sie machen einen Krimi draus. Dieses intergalaktische Raumtreffen, dieser Krimi müssten aber einen guten Plot aufweisen und gut erzählt werden. Und das ist gar nicht so einfach.
Fiktionales oder nichtfiktionales Storytelling – was also ist besser?
Einen klaren Sieger gibt es nicht: Wie man sieht, haben beide Varianten ihre Vor- und Nachteile. Viele Unternehmen können vom Authentischen mehr profitieren, als es eine ausgedachte Geschichte je leisten könnte. Sind allerdings die Hürden zu hoch (weil das Erzählte zu intim, zu prekär, zu unspektakulär wäre), kann der Rückgriff aufs Fiktionale die Rettung sein. Schauen Sie also ganz genau, welche Strategie für Ihr Unternehmen die richtige ist.
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