Wenn wir etwas lesen, nehmen wir nicht nur die darin enthaltenen Sachinformationen wahr. Wir können auch spüren, ob uns der Sender der Botschaft sympathisch ist. Das geht freilich nur, wenn wir überhaupt einen Sender spüren: jemanden, der den Text geschrieben hat.
Bei einem Einzelunternehmer oder einer Einzelunternehmerin ist dieser Faktor ganz stark. Aber auch Unternehmen haben eine Stimme – oder können eine haben, wenn die Mitarbeitenden beim Schreiben der Texte darauf achten.
Heute will ich mich mit diesen weichen Faktoren beschäftigen. Was macht einen Text sympathisch und wie können Sie das für Ihren Auftritt nutzen?
Sympathie im Unternehmenstext
Dazu schauen wir uns einmal folgende Beispieltexte an:
Sie benötigen gedrechselte Fluxstangen? Wir drechseln Ihre Fluxstangen als Handwerksleistung vor Ort. Sowohl eine linksdrehende als auch eine rechtsdrehende Ausführung ist möglich. In der Basisvariante erhalten Sie eine einfache Drehung, im Komfortpaket sind drei Drehungen enthalten. Jetzt Termin buchen: Kontakt
Wenn der Drechselmann zweimal klingelt: Unsere Handwerker tragen zwar keine fesche Zimmermannskluft, kennen sich dafür aber bestens mit Fluxstangen aus. Wir drechseln Ihre Fluxstangen vor Ort bei Ihnen, linksdrehend oder rechtsdrehend, einfach oder dreifach gedreht. Sie wissen noch nicht, welche Drechselung Sie benötigen? Kein Problem, wir beraten Sie gern: Kontakt
Welcher Text ist sympathischer? (Ich hoffe, Sie antworten jetzt „Nummer 2“, sonst habe ich nicht gut getextet.)
Wie also schreibt man sympathisch? Hier kommen meine Tipps.
1. Rücken Sie den Menschen in den Vordergrund
Texte, die nur Sachinfos bereithalten, wirken distanziert. Ein Extrembeispiel wären Gesetzestexte. Nominalstil und Passivkonstruktionen sind distanziert, zu viele Fachbegriffe auch.
Ein Unternehmenstext ist aber kein Gesetzestext. Streichen Sie daher Passiv und Nominalstil, nutzen Sie eine aktive Sprache. Indem Sie „ich/wir“ und „du/Sie“ sagen, rücken Sie in den Vordergrund, was zählt – den Menschen.
- Distanziert: Kontakt: [Kontaktformular]. Eine Antwort erfolgt innerhalb von 24 Stunden.
- Menschlich: Schick uns gerne deine Frage. Wir antworten dir innerhalb von 24 Stunden.
- Menschlich: Wir freuen uns auf Ihre Nachricht! Innerhalb von 24 Stunden bekommen Sie eine Antwort von uns.
Zeigen Sie, dass Ihr Angebot ein Angebot von Menschen für Menschen ist, nicht nur ein Austausch von Ware oder Leistung gegen Geld.
2. Spenden Sie Wärme
Auch im direkten Kundenkontakt ist eine warme Kommunikation wichtig. Es mögen manchmal Floskeln sein („ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende“), aber auch die vermeintlichen Floskeln kann man mit Wärme füllen.
- Neutral: Vielen Dank für Ihre E-Mail.
- Warm: Lieben Dank an Sie vorab und bis in zwei Wochen – viele Grüße!
- Warm: Ganz herzlichen Dank für die Ausarbeitung der ganzen Beiträge!
Die beiden warmen Beispiele stammen von einer Kundin von mir, über deren warmherzige Art ich mich immer sehr freue.
3. Schreiben Sie mündlich statt floskelhaft
Die Wärme in den beiden eben zitierten Dankesworten entsteht durch eine gewisse Mündlichkeit. Anstatt die immer gleichen Phrasen zu benutzen, schreibt meine Kundin – so wie es wirkt – ganz spontan.
Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich im Gespräch mit einem/r Bekannten. Wie würden Sie sich ausdrücken?
- Floskelhaft: Individualität wird bei uns großgeschrieben und Qualität ist unser Geschäft.
- Mündlich: Jede Fluxstange ist anders. Deshalb besprechen wir die Aufgabe genau mit Ihnen, bevor wir loslegen.
Der/die imaginäre Bekannte ist also ein sehr gutes Korrektiv, um nicht in Floskeln zu verfallen.
4. Verbreiten Sie Freude
Ihr Angebot sollte nicht rüberkommen wie ein notwendiges Übel, damit Sie Ihre Miete bezahlen können. Zeigen Sie, dass Sie von Ihrer Sache überzeugt sind, dass Sie sie gerne tun. Verbreiteten Sie Positivität.
- Neutral: Sie benötigen Fluxstangen? Bei uns finden Sie eine große Auswahl.
- Positiv: Wir lieben Fluxstangen.
- Positiv: Was ist schöner als eine Fluxstange? Zwei Fluxstangen!
Allerdings sollten Sie es damit nicht übertreiben, wie mein Tipp Nummer 5 gleich zeigt.
5. Seien Sie zurückhaltend mit lauter Werbesprache
Es gibt sie immer noch, die laute Werbesprache, gespickt mit Imperativen, Ausrufezeichen und Superlativen:
- Laut: Verpassen Sie nicht unser Eins-a-Angebot! Jetzt bestellen!
- Laut: Die 25 ultimativen Tipps für perfekte Blogbeiträge
Brauchen wir nicht. Überzeugen Sie lieber ruhig und besonnen.
Ich persönlich bin sogar empfindlich bei allzu vollmundigen Werbeversprechen, die dem Kunden sagen, was er alles Tolles erreichen wird mit der angebotenen Leistung. Nehmen wir meinen Workshop „Lebendig schreiben“. Ich bewerbe ihn nicht mit:
- Nach dem Workshop wirst du leichte und lockere Texte schreiben, die deine Leser*innen sofort abholen und für dich einnehmen.
Denn kann ich das versprechen? Nein, kann ich nicht. Was jede Teilnehmerin aus meinem Input macht, wie sie ihn nutzt, liegt immer noch an ihr selbst. Stattdessen schreibe ich beispielsweise:
- In drei Zoom-Sessions beschäftigen wir uns mit allem, was deine Texte leichter, lockerer, lebendiger macht.
Wir beschäftigen uns mit etwas, ich zeige etwas, wir üben etwas. Gut möglich, dass ich mit stärkeren Versprechen mehr verkaufen würde. Trotzdem bleibe ich bei meinem Weg, denn ich finde ihn sympathischer und das ist mir wichtiger.
6. Nutzen Sie Humor
Humor ist die Königsklasse der Sympathie-Faktoren. Es ist unmöglich, einen Text gleichzeitig witzig und unsympathisch zu finden.
Besonders sympathisch wirkt es, wenn Sie sich selbst nicht so ernst nehmen, sich vielleicht selbst ein wenig auf die Schippe nehmen. Mein Spruch weiter oben ist ein Beispiel dafür:
- Was ist schöner als eine Fluxstange? Zwei Fluxstangen!
Das ist ein wenig albern, kann aber – im richtigen Kontext – witzig und damit sympathisch wirken. Die Berliner Verkehrsbetriebe treiben das so weit, dass sie ihre Schwächen selbstironisch nach vorne bringen:
Twitter-Nutzer:
Äh, @BVG-Kampagne, ich sitze in einem pünktlichen Bus. Mit WLAN. Er ist gelb und sieht aus wie einer von euch. Kann das sein? <3
Antwort der BVG:
Wir haben jetzt extra 15 Stunden später geantwortet, um unsere Pünktlichkeitsstatistik wieder auszubalancieren.
Effekt: Der Leser muss lachen und verzeiht der BVG die nächste Verspätung leichter.
7. Trauen Sie sich aus der Reserve
Am Ende geht es bei meinen Tipps darum, von einer gewissen Verbissenheit wegzukommen, von einem Verkaufen-Müssen, das man den Texten ansieht. Seien Sie locker und vor allem: Trauen Sie sich was. Wenn Sie die üblichen Werbetext-Pfade verlassen, gehen Sie natürlich das Risiko ein, auch mal anzuecken. Das ist in Ordnung. Besser als langweilig!
Fazit: Mit Sympathie punkten
Ich hätte den Beitrag auch mit „authentisch schreiben“ übertiteln können. Doch finde ich die Eigenschaft „sympathisch“ leichter zu greifen – ein Text, bei dem ich beim Lesen denke: „Ach, cool.“ So ein Unternehmen wird viel leichter mein Vertrauen gewinnen. Auch wenn diese feinen Nuancen sicher nicht immer so leicht umzusetzen sind: Es lohnt sich, beim Schreiben darauf zu achten.
Lesen Sie auch:
So bringen Sie Humor in Ihre Texte
Tschüss, Floskeln: So werden Sie abgedroschene Phrasen los
„Diese Welt braucht leise Stärken“: Interview mit Sonja Mahr
Andrea Toll meint
Liebe Annika, mit deinen herrlich erfrischenden Blog-Beiträgen sprichst du mir aus der Texterinnen-Seele. Seid locker, humorvoll und menschlich – genau das versuche ich meinen Kunden auch zu vermitteln. Liebe Grüße von der Alb und bis bald, Andrea
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Andrea,
vielen Dank für dein entzückendes Feedback!
Liebe Grüße
Annika
Zille meint
Sehr, sehr schön. Und was macht ein Logo sympathisch?
Irgendwie werde ich an Ihren Artikel »Ein neues Logo für meine Marke« erinnert. Während Sie hier dem Stil der Gesetzestexte eine Abfuhr erteilen und die Sympathie in den Vordergrund stellen, haben Sie damals verkrampft für eine mathematisch-korrekt konstruierte Sprechblase argumentiert.
Viele Grüße an den sympathischen Zeilenvogel. 🙂
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Zille,
ich richte es ihm aus. 😉
Viele Grüße
Annika Lamer
Karin Denzler meint
Liebe Annika,
Bravo, dieser Beitrag trifft den Nagel auf den Kopf – vielen Dank für die sympathische Texter-Inspiration:-)!
Warme Frühlingsgrüße, Karin
Dr. Annika Lamer meint
Vielen Dank, liebe Karin!
Mit Frühlingsgrüßen zurück
Annika
Mihály meint
Hallo Annika,
am Ende habe ich irgendwie auf die Erlösung gewartet:
Was ist eine Fluxstange?
Beste Grüße
Mihály
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Mihály,
die gibt es nicht – habe ich mir ausgedacht. 😉
Viele Grüße
Annika
Anke Ernst meint
Vielen Dank für den Artikel, liebe Annika! Besonders hat mir gefallen, dass Du eine tolle Alternative zum ausgelutschten „authentisch“ nutzt.
Liebe Grüße
Anke
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Anke,
vielen Dank! Ich finde, unter „sympathischen“ Texten kann man sich direkt etwas vorstellen, unter „authentischen“ weniger. Das ist so ein Kopfschmerz-Konzept – versucht man es zu greifen, entschlüpft es einem schnell wieder.
Liebe Grüße
Annika
Küchenrückwand meint
Zu Authentisch schreiben habe ich schon einiges gelesen aber sympathisch schreiben finde ich besser formuliert. 🙂 Toller Beitrag, der mich auf vorwärts bringt, Grüße Tilda