Egal wie fit Sie in deutscher Grammatik sind: Bei manchen Konstruktionen kann man sich dreimal fragen, ob das so geht oder nicht. Ich habe ein paar Beispielsätze mitgebracht, bei denen Sie sich selbst testen können. Setzen Sie dabei auf Ihr Sprachgefühl: Hört sich der Satz für Sie richtig oder falsch an? Oder gibt es vielleicht sogar eine handfeste Regel, die Ihnen in den Sinn kommt?
Sie sehen hier zunächst nur die grau hinterlegten Beispielsätze. Einige stimmen, einige nicht. Treffen Sie Ihre Entscheidung: Top oder Flop? Die Lösung klappt auf, wenn Sie auf den grauen Kasten klicken. Ich wünsche Ihnen viel Spaß!
Darf man so kürzen?
Reiten ist ein Hobby, das ich toll finde und schon immer mal ausprobieren wollte.
Top. Solche Zusammenfassungen sind problemlos möglich, um Wiederholungen zu vermeiden (hier: „das ich“).
Reiten ist ein Hobby, das mich fasziniert und ich schon immer mal ausprobieren wollte.
Flop. Grund ist, dass wir hier zwei verschiedene Fälle haben. Wer oder was fasziniert mich? => Nominativ. Wen oder was probiere ich aus? => Akkusativ. Die beiden Fälle darf man nicht einfach zusammenfassen; wir brauchen zwei unterschiedliche „das“.
Korrekt: Reiten ist ein Hobby, das mich begeistert und das ich schon immer mal ausprobieren wollte.
Sie hat uns gedankt und umarmt.
Flop. Auch hier gibt es zwei verschiedene Fälle. Danken erfordert den Dativ, umarmen den Akkusativ. Im Singular merken Sie das leichter:
Sie hat mir gedankt und mich umarmt.
Sie müssen das Personalpronomen „uns“ also wiederholen; es steht einmal im Dativ, einmal im Akkusativ.
Korrekt: Sie hat uns gedankt und uns umarmt.
Ich habe mir vom Teller einen Keks und aus dem Geheimversteck ein Gummibärchen genommen.
Top. Dagegen gibt es keinen Einwand.
Er nahm seinen Mut zusammen und an dem Workshop teil.
Flop. Wir haben hier zwei verschiedene Verben, zusammennehmen und teilnehmen. Das lässt sich nicht zusammenfassen.
Korrekt: Er nahm seinen Mut zusammen und nahm an dem Workshop teil.
Oder besser: Er nahm seinen Mut zusammen und meldete sich zum Workshop an.
Er nahm sich und all seinen Mut zusammen.
Flop. Anders als im vorherigen Beispiel stimmt hier zwar das Verb formal überein – zusammennehmen –, aber es hat zwei unterschiedliche Bedeutungen. Auch dann sollten Sie auf eine Zusammenfassung verzichten.
Korrekt: Er nahm sich zusammen und nahm all seinen Mut zusammen.
Oder besser: Er nahm sich zusammen und brachte all seinen Mut auf.
Ausnahme: Sie setzen einen solchen Bruch als bewusstes, womöglich humoristisches Stilmittel ein.
Stimmt der Satz?
Schritt für Schritt gehe ich Ihre Fragen durch und nenne Ihnen die richtige Lösung.
Top – wenn auch nicht sehr elegant. Das Problem ist die Satzstellung. Der Satz startet mit „Schritt für Schritt“, dadurch kommt das Personalpronomen „ich“ erst nach dem Verb „gehe“, und das passt dann nicht mehr zum zweiten Teil. Schließlich könnten Sie nicht sagen:
*Schritt für Schritt nenne Ihnen die richtige Lösung.
Erlaubt ist die Konstruktion. Um Irritationen zu vermeiden, würde ich den Satz jedoch lieber umstellen.
Besser: Ich gehe Schritt für Schritt Ihre Fragen durch und nenne Ihnen die richtige Lösung.
Geben Sie Butter hinzu und rühren kräftig um.
Flop. Bei Imperativ-Reihen müssen Sie das „Sie“ wiederholen.
Korrekt: Geben Sie Butter hinzu und rühren Sie kräftig um.
Stolpersteine mit „zu“
Tatjana will einen Hundesitter engagieren, um die Gassirunden zu übernehmen.
Flop. Der um-zu-Satz bezieht sich immer auf das Subjekt des Hauptsatzes, hier Tatjana. Die ist aber ja nicht gemeint.
Korrekt: Tatjana will einen Hundesitter engagieren, der die Gassirunden übernimmt.
Oder auch: Tatjana will einen Hundesitter engagieren, damit er die Gassirunden übernimmt.
Der Zeitpunkt ist günstig, um sich ein E-Auto zu kaufen.
Top. Dennoch könnte man ins Grübeln kommen. Eben habe ich schließlich gesagt, dass sich der um-zu-Satz auf das Subjekt des Hauptsatzes bezieht. Das wäre hier „Zeitpunkt“ – und das Wort taugt nun mal nicht als handelnder Akteur. (Nicht: Der Zeitpunkt kauft ein E-Auto.)
Das ist aber erlaubt. Wenn es keinen handelnden Akteur gibt, denkt man ihn sich dazu – etwa ein „man“.
Sie hat Spaß daran, zu singen und tanzen.
Flop. Bei Infinitivgruppen mit „zu“ benötigt jedes Verb ein „zu“.
Korrekt: Sie hat Spaß daran, zu singen und zu tanzen.
Singular oder Plural?
Ein Labrador oder ein Golden Retriever würden vom Temperament gut passen.
Top. Sie hätten vielleicht den Singular erwartet, so wie es für Konstruktionen mit oder üblicher ist:
Ein Labrador oder ein Golden Retriever würde vom Temperament gut passen.
Dennoch geht hier auch der Plural. Es ist nämlich keine Entweder-oder-Entscheidung, sondern beide Hunderassen würden passen.
Auch: Ein Labrador oder ein Golden Retriever würden vom Temperament gut passen.
Anders bei:
Ist der Labrador oder der Golden Retriever ruhiger?
Das ist eine Entweder-oder-Entscheidung; das Verb steht im Singular.
Nicht nur die Musik, sondern auch die Performance haben mir gut gefallen.
Flop. Obwohl es sich um zwei Dinge handelt, bildet man die Konstruktion „nicht nur, sondern auch“ mit dem Singular. (Vorausgesetzt, die beiden Substantive stehen auch im Singular.)
Korrekt: Nicht nur die Musik, sondern auch die Performance hat mir gut gefallen.
Sowohl die Musik als auch die Performance hat mir gut gefallen.
Top. Die Konstruktion „sowohl als auch“ kann wahlweise den Singular oder den Plural nach sich ziehen. Der Duden empfiehlt den Singular.
Auch: Sowohl die Musik als auch die Performance haben mir gut gefallen.
Sowohl die Showeinlagen als auch die Musik hat mir gut gefallen.
Top. Eigentlich würde man hier ja den Plural vermuten, da „Showeinlagen“ im Plural steht. Aber der Duden empfiehlt, das Verb nach dem Substantiv zu richten, das ihm näher steht. Wenn Sie die Verwirrung vermeiden wollen, stellen Sie besser um:
Besser: Sowohl die Musik als auch die Showeinlagen haben mir gut gefallen.
Fazit: Grammatik für Nerds
Und, wie viele der Sätze konnten Sie richtig einschätzen? Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, bekommen Sie von mir offiziell das Nerd-Abzeichen. Diesen begehrten Preis gibt es unabhängig davon, wie viele Sätze Sie richtig getippt haben. Schließlich haben Sie Interesse bewiesen – ein bisschen Nerd muss man dafür schon sein.
Haben Sie einen Satz, bei dem Sie unsicher sind? Posten Sie ihn im Kommentarbereich, und ich suche für Sie nach der richtigen Lösung.
Grammatikliebe: Das Webinar zum Thema
Noch mehr Grammatikwissen gibt es in meinem Webinar für Sprach-Nerds und Wortarbeiter*innen. Vom Konjunktiv bis zur Kongruenz knöpfen wir uns allerlei knifflige Grammatikhürden vor. Infos und Termine: Webinar „Grammatikliebe“
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Wenn die Mathematik nicht weiterhilft: Welcher Numerus für Ihr Verb?
Richtig schreiben: Welcher Fall nach …?
Konjunktiv und indirekte Rede: So geht es richtig
Dr. Burkhard Heitmann meint
Hallo Frau Lamer,
so nerdig ist das nicht. Ich stutze so manches Mal beim Schreiben. Vielen Dank dafür, dass Sie sich damit beschäftigen und das so schön erklären [ist das jetzt korrekt?].
Viele Grüße, Burkhard Heitmann
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Heitmann,
vielen Dank für das nette Feedback – und ja, Ihr Satz ist korrekt. 🙂
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Eberhard Wild meint
Wie immer top erklärt und praktisch nachvollziehbar, danke Frau Dr. Lamer
Simone meint
Leider hatte ich nicht alles richtig, dafür aber wieder was gelernt. Danke für den interessanten Artikel.
J. Lienert meint
Hallo Frau Lamer
Spannende Ausführungen, vielen Dank! Bei einigen Beispielen würde ich sagen, dass sie durchaus möglich sind – eben eingesetzt als bewusstes rhetorisches Stilmittel, oft ein sogenanntes Zeugma, mehr dazu z. B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Zeugma_(Sprache)
Bsp: Er nahm sich und all seinen Mut zusammen. // Er nahm seinen Mut zusammen und an dem Workshop teil.
Oder wie sehen Sie das?
Freundliche Grüsse
J. Lienert
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Lienert,
ja, richtig. Ich hatte das kurz nach der Veröffentlichung des Beitrags ergänzt; vielleicht hat Ihr Browser noch die alte Version im Cache. Unter „Er nahm sich und all seinen Mut zusammen“ steht jetzt:
„Ausnahme: Sie setzen einen solchen Bruch als bewusstes, womöglich humoristisches Stilmittel ein.“
Das Thema „rhetorische Stilmittel“ werde ich gerne mal in einem eigenen Blogbeitrag aufgreifen – ist ein schönes Thema. Hier wollte ich das nicht zu ausführlich machen, um den Fokus nicht zu verwässern.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Sandra Poetzl meint
Liebe Annika,
super, spannend wie immer! Ich durfte feststellen, dass ich wohl durchgefallen wäre, wenn das hier eine Klausur gewesen wäre – wie früher in der Schule brechen mir die Flüchtigkeitsfehler das Genick! Hätte ich selbst formuliert, hätte ich zwar beim ein oder anderen Satz nachdenken müssen, wäre aber ganz gut durchgekommen. Beim Drüberlesen allerdings habe ich mehrere Flops einfach durchgewinkt…
Dafür nehme ich sehr gerne die Möglichkeit in Anspruch, einen grauenhaften Satz von dir unter die Lupe nehmen zu lassen:
„Sehr geehrte/r…,
einen herzlichen Gruß und Dank von unserem Außendienstmitarbeiter Herrn XY, dass Sie sich für seinen Besuch am 04.08.2023 Zeit genommen haben.“
Klingt das nicht furchtbar und angestaubt und ungelenk? Dennoch fällt mir keine angenehmere Formulierung ein, auch den Satz umzustellen hat mir nicht besser gefallen. Magst du hier mal helfend eingreifen?
Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße!
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Sandra,
danke für dein Feedback! Wenn man selbst schreibt, geht man vielleicht mehr auf Nummer sicher, während man beim Drüberlesen denkt: Ach, wird schon passen.
Dein Satz beinhaltet aber keine Grammatikfrage, oder? Ich würde vielleicht so anfangen:
„Guten Tag Herr Apfel,
mein Name ist Annika Lamer, ich bin eine Kollegin von Herrn Schorle, mit dem Sie am 4. August einen Termin hatten. Vielen Dank nochmals, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Gerne bieten wir Ihnen XY an / worum auch immer es geht.“
So in etwa?
Viele liebe Grüße
Annika
Sandra Pöetzl meint
Hallo Annika,
war das eine Grammatikfrage? Jein 😉 Für mich klang die Grammatik in dem Satz irgendwie falsch, ich konnte aber den Finger nicht drauf legen. (Ich dachte dieses „einen herzlichen Gruß und Dank“ würde gut in die Reihe deiner „Grammatikfallen“ passen.)
Vielen Dank für die deutlich attraktivere Variante und ich freue mich schon sehr auf deinen nächsten Newsletter!
Liebe Grüße,
Sandra
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Sandra,
ah, okay. 🙂 Ich verstehe dein Unbehagen. Ich glaube aber, der Satz ist „nur“ stilistisch ungeschickt, nicht grammatisch falsch. Minimal eingreifend, würde ich korrigieren zu:
„… einen herzlichen Gruß von unserem Außendienstmitarbeiter Herrn XY und vielen Dank, dass Sie sich für seinen Besuch am 04.08.2023 Zeit genommen haben.“
Wobei der Akkusativ „einen herzlichen Gruß“ auf ein weggelassenes „ich sende Ihnen“ hindeutet. Da würde ich lieber „herzliche Grüße“ nehmen.
Danke auch für deine netten Worte!
Viele Grüße
Annika