„Ihre Zufriedenheit steht für uns an erster Stelle und Qualität wird bei uns großgeschrieben.“ Genau! Endlich ein Unternehmen, das meine Zufriedenheit schätzt. Oder?
Floskeln sind öde. Mir als Leserin sagen sie nichts, sie bringen mir weder Mehrwert noch Freude. Bestenfalls sind sie bequem. Ich kann über sie hinweglesen, sie tun nicht weh. Schlimmstenfalls ärgere ich mich über die Zeitverschwendung. Erfolg: Fehlanzeige.
Wenn ich in meinen Workshops auf das Thema komme, lautet der Einwand oft: „Irgendwie müssen wir unsere Qualität und Kompetenz ja ansprechen.“ Die Denkweise ist dann so: „Ja, ich weiß, dass das eine Floskel ist. Aber ich weiß nicht, wie ich mich sonst ausdrücken soll.“ Bei diesem Dilemma will ich Ihnen heute helfen – und Ihnen Wege aus der Floskelitis zeigen.
Schritt 1: Floskeln identifizieren
Der erste Schritt ist, sich überhaupt erst einmal bewusst zu werden, welche Ausdrücke Floskeln sind.
Floskeln sind Wörter und Wendungen,
- die eine geringe Aussagekraft haben
- oder die in einem bestimmten Zusammenhang so häufig gebraucht werden, dass sie bereits nerven.
Es gibt branchentypische Floskeln und allgemeine Werbefloskeln. Schauen wir sie uns einmal genauer an.
1. Branchentypische Floskeln
Ab wann hat man einen Ausdruck zu oft gelesen? Klar, das ist subjektiv. Aber wenn die Wendung auf 90 % Ihrer Mitbewerberseiten vorkommt, dann sind die Anzeichen schon recht hoch. Beispiel Hotelbranche:
- empfängt seine Gäste mit …
- ein traumhafter Blick
- komfortable Zimmer
- erlesene Speisen
- Gaumenfreuden
- stilvoll und exklusiv
Nun können Sie ebenfalls den traumhaften Blick und die erlesenen Speisen bewerben. Oder Sie überlegen, ob Sie nicht etwas anderes finden. (Dazu gleich mehr.)
Das Kriterium der geringen Aussagekraft ist noch wichtiger. Der traumhafte Blick macht schon noch eine Aussage. Ich erwarte hier zumindest keinen Blick auf den Hotelparkplatz oder das benachbarte Müllentsorgungsunternehmen. Aber die komfortablen Zimmer? Längst haben sogar Hostels komfortable Zimmer. Was also sagt das Adjektiv noch aus? Sehr wenig.
Nehmen wir noch folgendes Beispiel von einer Knäckebrotpackung hinzu:
- Entdecken Sie Wasa Fit & Vital, unseren köstlichen Knuspergenuss mit ausgewählten Zutaten für Ihr persönliches Wohlbefinden.
Branchentypische Floskeln sind hier insbesondere die „ausgewählten Zutaten“ und das „persönliche Wohlbefinden“. Eigentlich gehe ich als Kundin davon aus, dass die Zutaten nicht willkürlich zusammengeworfen wurden. Und um wessen Wohlbefinden soll es sich sonst handeln?
Ein gutes Hilfsmittel gegen die Floskelitis sind Negativlisten: Eine Liste, in der Sie all die branchentypischen Ausdrücke aufführen, die Sie nicht verwenden wollen.
Sicher wird es auch Ausdrücke geben, die Sie einfach brauchen – als Keyword oder weil der/die Leser*in sie erwartet. Nicht schlimm; Kompromisse sind ok. Auf einige typische Wendungen können Sie aber bestimmt verzichten.
2. Allgemeine Werbefloskeln
Zu den branchentypischen Phrasen treten die allgemeinen Werbefloskeln, auf die man immer wieder stößt. Ein Beispiel ist das „Entdecken Sie …“ aus der Knäckebrotwerbung, inklusive typischen Werbeimperativs. In mittlerweile drei Floskelbingos habe ich schon ein paar davon zusammengetragen, so wie hier:
All dies sind typische Werbefloskeln, die vor einigen Jahren vielleicht noch normal waren, heute jedoch niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. „Willkommen auf unserer Website“ stammt zum Beispiel aus einer Zeit, in der es noch etwas Besonderes war, eine Website sein Eigen zu nennen.
Mit der weiteren Entwicklung des Internets sind die Ansprüche gestiegen. Nutzer*innen erwarten heute wertvollen Content – und keine leeren Phrasen. Um solchen typischen Werbefloskeln zu identifizieren, hinterfragen Sie Ihre Sätze kritisch:
- Ist mein Satz überhaupt aussagekräftig?
- Was nimmt der Leser oder die Leserin daraus mit?
Ein Satz wie „Die Vielfalt der Produkte lässt keine Wünsche offen“ ist zum Beispiel wenig aussagekräftig. Mir stempelt er jedenfalls Fragezeichen auf die Stirn. Vielfältig inwiefern? Was für Wünsche? Vielleicht: Jeder findet hier alles, was er sich zu dieser Produktgruppe nur wünschen kann. Aber kann das überhaupt stimmen?
Also: Prüfen Sie Ihre Sätze. Seien Sie kritisch.
Dabei hilft auch der Gedanke: Würde ich mich so im Gespräch mit einem/r Bekannten ausdrücken? Wenn Ihre Freundin neuen Tee besorgen will, würden Sie dann sagen: „Schau mal in den Teeshop. Die Vielfalt der Produkte lässt keine Wünsche offen?“ Wohl kaum.
Schritt 2: Floskeln loswerden
Floskeln erkannt, Floskeln gebannt? Nicht ganz. Denn irgendwie wollen Sie Ihre Qualität und Kompetenz ja darstellen, nicht wahr? Dazu habe ich drei Strategien für Sie.
1. Werden Sie konkret
Anstatt dem Kunden oder der Kundin nur das Stichwort um die Ohren zu hauen, sollten Sie es belegen. Ein „innovatives Unternehmen“ zu sein, kann jeder von sich behaupten. Inwiefern ist Ihr Unternehmen denn innovativ? Melden Sie regelmäßig neue Patente an? Oder beschreiten Sie nur neue Vertriebswege? Werden Sie konkret:
- Wir investieren ständig in neue Produktentwicklungen. 2019 kam unser Sockensortierer auf den Markt, 2020 die Dampfbügel-Erweiterung.
Auch die oft gepriesene „Qualität“ sollten Sie näher benennen. Statt „Wir setzen auf eine hervorragende Qualität, wenn es um die Auswahl unserer Produkte geht“ sagen Sie besser:
- Bei der Auswahl unserer Produkte achten wir auf Kriterien wie …
Benennen Sie also die Faktoren, die Ihre Qualität ausmachen.
Manchmal höre ich den Einwand, der Platz sei nicht gegeben, wenn man zum Beispiel nur eine Headline texten soll. Aber auch da haben Sie die Möglichkeit, direkt einen konkreten Nutzen zu benennen. Statt „Wir stehen für Qualität“ schreiben Sie zum Beispiel:
- Mit uns finden Sie Ihre Socken schneller
- Wir zeigen Ihnen Wege aus der Sockenkrise
Und schon hat der Leser oder die Leserin tatsächlich etwas erfahren, anstatt nur von einer abstrakten „Qualität“ zu lesen.
2. Wie würden Sie sich mündlich ausdrücken?
Ich habe oben bereits den Test erwähnt, ob Sie die Formulierung im Gespräch mit einem/r Bekannten benutzen würden. Der nächste Schritt wäre zu überlegen: Wie würden Sie sich denn dann ausdrücken?
Versetzen Sie sich in eine Gesprächssituation hinein. Sie wollen Ihrer Freundin von dem Teeshop erzählen. Statt „Die Vielfalt der Produkte lässt keine Wünsche offen“ sagen Sie vielleicht:
- Die haben da ziemlich ausgefallene Sorten, Kurkuma-Karamell, Mango-Rosenkohl, Marzipan-Kornblume … Du kannst dir den Tee sogar individuell zusammenmischen lassen.
Das müssen Sie nicht eins zu eins so nutzen, aber es bringt Sie auf die richtige Piste.
Ganz grundsätzlich lautet der Tipp: Machen Sie sich locker. Wer leicht und locker schreibt, verwendet automatisch weniger Floskeln. Zerdenken Sie nicht so viel, sondern lassen Sie Ihre Worte in die Tasten fließen. Die nötigen Anpassungen können Sie hinterher immer noch machen.
3. Suchen Sie nach ausgefallenen Formulierungen
Die dritte Strategie für weniger Floskeln ist, bewusst nach Formulierungen abseits der Norm zu suchen. Der köstliche Genuss des Knäckebrots ist vielleicht ein Krossgenuss, der erfrischende Geschmack der Zitrone ein stürmischer Geschmack.
Und wie kommt man drauf? Zum einen durch freies Assoziieren. Machen Sie ein Brainstorming:
- Wie ist die Zitrone? Wie riecht sie, wie schmeckt sie? Was macht das mit mir, wenn ich reinbeiße? Welche Erinnerungen und Assoziationen verknüpfe ich damit?
Denken Sie auch in Metaphern, in Bildern, spielen Sie mit den Worten, erfinden Sie neue. („Stürmisch“ ist eine Metapher, „Krossgenuss“ eine Wortschöpfung.) Schreiben Sie Ihre Ideen ungefiltert auf – werten können Sie hinterher.
Eine etwas geordnetere Möglichkeit sind Positivlisten, analog zu den oben erwähnten Negativlisten. Dabei sammeln Sie Begriffe rund um Ihr Produkt oder Angebot, die es beschreiben – ob per Brainstorming oder mit Hilfe von Online-Synonymwörterbüchern.
Ein guter Startpunkt ist zum Beispiel ein Adjektiv. „Unser Einrichtungsstil ist authentisch.“ Wie kann man zu authentisch noch sagen?
- kraftvoll, charismatisch, geradlinig, ehrlich, klar …
Auf diese Weise schaffen Sie sich einen Wortfundus, aus dem Sie immer wieder schöpfen können. Gleichzeitig vermeiden Sie es, ständig dieselben Adjektive zu wiederholen.
Nicht zuletzt sind solche ausgefallenen Formulierungen ein wunderbarer USP. Je origineller Sie sich ausdrücken, desto mehr heben Sie sich von Ihren Mitbewerbern ab, desto mehr bleiben Sie Ihren Leser*innen im Gedächtnis. Einen köstlichen Genuss versprechen alle – doch nur Sie haben den Krossgenuss.
Fazit: Weniger Floskeln, mehr Überzeugungskraft
Die drei wichtigsten Gegenmaßnahmen gegen grassierende Floskelitis lauten: konkret werden, mündlich werden, kreativ werden. Welcher Ansatz sich am besten eignet, hängt von Ihrem Produkt oder Angebot ab. Gibt es konkrete Argumente, die Sie anstelle der Floskeln verwenden können? Oder geht es mehr darum, branchentypische Phrasen aufzuspüren und sich origineller auszudrücken?
Selbst wenn die eine oder andere Floskel noch stehen bleibt: Es lohnt sich, so viele von ihnen wie möglich loszuwerden – für aussagekräftige Texte und mehr Freude beim Lesen.
Lesen Sie auch:
Vier Floskeln in einer Reihe: Das Floskelbingo für Websites, Teil 2
Origineller schreiben: Kurze Formulierungen zum kreativen Befüllen
Origineller schreiben: Fünf kreative Impulse für Ihre Texte
Andreas meint
Es ist zwar keine wirklich abgedroschene Phrase, trotzdem aber ein Ausdruck, der oft verwendet wird und dann den Leser im Unklaren lässt: „etwas gegeneinander aufrechnen“
Folgende Sätze finden sich in der Süddeutschen Zeitung vom 19.10.20: „“Kann man die Hoffnungen und Ansprüche der Jungen von damals gegen die von heute aufrechnen? Nein, das kann man nicht. Weil es ausgrenzt und neue Ungerechtigkeiten schafft.“ (https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-beschraenkungen-kommentar-1.5081928)
Hätte man hier nicht einfrisch schreiben können, ob man nicht die Ansprüche der „Jungen von damals“ (hier: Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg) mit denen der Jungen von heute („Party-Generation“ in Coronazeiten) miteinander VERGLEICHEN kann? Finde den Begriff „aufrechnen“ hier unverständlich und in gewisser Weise abgedroschen.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Andreas,
dazu muss ich mir den weiteren Kontext der Aussage anschauen. Zitat (selber Link wie oben):
„Die zur Schau gestellte Corona-Müdigkeit ist unverhältnismäßig. Auch vor 30, 40 oder 70 Jahren waren Menschen gezwungen, persönliche Lebensentwürfe einer neuen Realität anzupassen. Allerdings einer wesentlich dramatischeren als dieser Pandemie. Man kennt die Erzählungen der Großeltern aus den Vierzigerjahren, als Diktatur und Krieg alles beherrschten. Die Jungen von damals sind die Alten von heute, die jetzt alleine zu Hause oder in Seniorenheimen geschützt – oder auch weggesperrt werden sollen. Kann man die Hoffnungen und Ansprüche der Jungen von damals gegen die von heute aufrechnen? Nein, das kann man nicht. Weil es ausgrenzt und neue Ungerechtigkeiten schafft.“
Die Argumentation ist: Die Jungen von damals hatten Hoffnungen und Ansprüche. Die Jungen von heute haben Hoffnungen und Ansprüche. Kann man beides gegeneinander aufrechnen und dann zu einer Antwort kommen, welche Hoffnungen und Ansprüche schwerer wiegen? Nein, kann man nicht. Man kann es nicht gegeneinander aufrechnen.
Für mich ist das Wort „aufrechnen“ hier legitim. Es sagt etwas anderes aus als „vergleichen“.
Beste Grüße
Annika Lamer
andreas meint
Habe mir mal ein paar Gedanken dazu gemacht:
Aufrechnung – Als „Aufrechnung“ wird ein Rechtsgeschäft bezeichnet, durch das
gegenseitige und gleichartige Forderungen wechselseitig miteinander verrechnet werden. Demzufolge bewirkt eine Aufrechnung die Aufhebung einer Forderung durch eine Gegenforderung.
– Sind die Forderungen der Jungen von damals gleichartig mit den Forderungen der Jungen von heute?
– Hebt also die Forderung von heute (Party, feiern, etc.) die Forderung von damals (berufliche Zukunft, existenzielle Fragen nach dem Krieg, etc.) auf? / Sind diese gleich zu gewichten/ vergleichbar?
– Nein, die Forderungen sind nicht vergleichbar, früher war es „dramatischer/existentieller“ für die Leute
– Würde man die Forderungen gleich gewichten und die Jungen würden Feiern gehen, müssten die jetzigen „Alten“ weggesperrt werden und müssten ihr jetziges Leben noch mehr einschränken.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Andreas,
das hat sich überschnitten.
„Als „Aufrechnung“ wird ein Rechtsgeschäft bezeichnet, durch das
gegenseitige und gleichartige Forderungen wechselseitig miteinander verrechnet werden. Demzufolge bewirkt eine Aufrechnung die Aufhebung einer Forderung durch eine Gegenforderung.“
Genau. Und deshalb sagt der SZ-Autor: Aufrechnung ist Quatsch.
Viele Grüße
Annika Lamer
Andreas meint
Danke für Ihre Antwort. Was wäre denn ein Synonym für „aufrechnen“ in diesem Fall?
„Kann man beides gegeneinander aufrechnen und dann zu einer Antwort kommen, welche Hoffnungen und Ansprüche schwerer wiegen?“ –> Wo bitte ist dort ein Unterschied zu sehen zu „vergleichen“?!
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Andreas,
„aufrechnen“ besagt:
„Demzufolge bewirkt eine Aufrechnung die Aufhebung einer Forderung durch eine Gegenforderung.“
Das ist ein Bedeutungsunterschied zu „vergleichen“. Bei „vergleichen“ wird nichts aufgehoben. Ich finde es legitim, dass der Autor diesen Begriff benutzt hat, und würde kein Synonym suchen.
Viele Grüße
Annika Lamer
andreas meint
„Weil es ausgrenzt und neue Ungerechtigkeiten schafft.“ –> Das sollte m.E. auch etwas genauer erläutert werden. Wer wird WIE ausgegrenzt? Welche Ungerechtigkeiten meint der Autor?
Dr. Annika Lamer meint
Lieber Andreas,
Sie sind hier die ganze Zeit mit Textanalyse beschäftigt, das hat nichts mehr mit Werbefloskeln zu tun und sprengt daher das Thema dieses Beitrags. Ich kann daher leider nicht weiter darauf eingehen. 🙂
Viele Grüße
Annika Lamer
Claudia Bartholdi meint
Herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag! Gerne möchte ich ihn auf den Social-Media-Kanälen verbreiten, damit die Follower davon profitieren können (Eine Story auf Insta und Facebook, die nach 24 Stunden wieder verschwindet). Ich würde dafür das Bingobild nehmen und die Referenz auf Ihre Website setzen. Ist Ihnen das recht?
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Bartholdi,
gerne und vielen Dank. 🙂
Herzliche Grüße
Annika Lamer
ClAudia bartholdi meint
Liebe Frau Lamer
Herzlichen Dank für die rasche Antwort.
Viele Grüsse und noch einen feinen Tag
Claudia Bartholdi
Tine meint
Viele Dank für diesen netten Blogbeitrag!
Ich kenne Menschen, die auch mündlich dauernd Floskeln verwenden, sei es aus sprachlicher Faulheit (fertige Sprachbausteine) oder weil sie allgemein Schwierigkeiten beim Formulieren haben und glauben, mit Floskeln auf der sicheren Seite zu liegen. Auf mich wirkt das immer nichtssagend oder sogar inkompetent.
Auf längeren Autofahrten machen wir manchmal das „Wer-findet-den-nichtssagendsten-Reklamespruch-auf-LKWs-Spiel“. Da wimmelt es von Floskeln.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Tine,
danke für Ihren Kommentar. Floskeln im Mündlichen sind, glaube ich, besonders beliebt, wenn der Sprecher keine Stellung beziehen will. Da kann man sich wunderbar hinter Phrasen verstecken.
Herzliche Grüße
Annika Lamer