Wie ist mein Unternehmen dahin gekommen, wo es jetzt ist? Um sich diese Frage zu stellen und für Ihren Unternehmensauftritt zu nutzen, reichen schon wenige Jahre. Was aber, wenn die Firmengeschichte so lange zurückreicht, dass ein einziges Gedächtnis nicht ausreicht?
Hier setzt meine Kollegin Jana Männig an, die sich die als Texterin und Historikerin auf Unternehmensgeschichten spezialisiert hat. Einen Einblick in ihre Projekte gibt sie auf ihrer Website www.jana-maennig.de. Im Interview erzählt sie, warum sich Unternehmen für ihre Dienstleistung entscheiden, wie sie an das nötige Material kommt und wie daraus am Ende ein runder Text entsteht.
Was sind das für Firmen, die dich beauftragen? Aus welcher Motivation heraus wenden sie sich an dich?
Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Firmen sämtlicher Branchen an – ohne besonders darauf zu achten, ob Firmenjubiläen anstehen oder nicht. Zu meinen Kunden zählen mittelständische Familienunternehmen, die nach der Wende rückübertragen wurden, oder Nachfolger ehemaliger Kombinatsbetriebe, deren Eigentümer (auch mit westdeutscher Sozialisation) Interesse an der Betriebsgeschichte haben.
Oft ist es so, dass sich die Verantwortlichen bereits einige Zeit mit der Idee befassen, die Historie aufzuarbeiten, im Tagesgeschäft aber nicht dazu kommen. Andere haben bereits mit dem Schreiben begonnen, geraten aber letztlich mit der Strukturierung ihrer Gedanken in Schwierigkeiten. Es kommt auch vor, dass ich mit meinen regelmäßigen Akquisebriefen den Wunsch nach einer eigenen Firmengeschichte erst wecke.
An wen richten sich die Firmenchroniken?
Die Chroniken entstehen in der Regel für (ehemalige) Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner. Da ich mich bemühe, die Geschichte des Unternehmens immer auch in engem Bezug zur Region zu erzählen, sind die Firmenchroniken regelmäßig auch ein Stück Regionalgeschichte und damit für die Einwohner oft hochinteressant.
Wie kommst du an das Material für deine Firmengeschichten?
Material erhalte ich im besten Fall aus den Firmenarchiven. In der Praxis funktioniert das leider nur selten, so dass ich in Stadt-, Staats- und Wirtschaftsarchiven recherchieren muss. In der Deutschen Nationalbibliothek informiere ich mich in der Sekundärliteratur und sichte die zeitgenössischen Fachzeitschriften.
Besonders Letztere sind eine tolle Quelle, mit der ich sehr gern arbeite, wenn die Aktenlage in den Archiven nicht so rosig ist. Nach der Wende sind leider allzu viele Firmenarchive auf dem Müll gelandet. Gespräche mit (ehemaligen) Mitarbeitern und gemeinsames Fotoschauen in gemütlicher Kaffeerunde bringen so manche interessanten Details zu Tage.
Zu deiner Arbeit gehören auch Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern und anderen Zeitzeugen. Wie machst du deine Gesprächspartner ausfindig, und was sind bei den Interviews die größten Herausforderungen?
Die Gesprächspartner nennen mir meine Auftraggeber. Besonders die „Ehemaligen“ nutzen gerne die Gelegenheit, sich mit den Kollegen von früher zu treffen und mir von ihrem Arbeitsalltag zu berichten.
Die Herausforderung ist wahrscheinlich die Geduld, die Leute reden zu lassen und dennoch Dinge herauszukitzeln, die ich wissen will.
Sicher entdeckst du manchmal auch weniger erfreuliche Kapitel in der Geschichte einer Firma. Wie gehst du bzw. wie gehen deine Auftraggeber damit um?
Ja, das kommt auch hin und wieder vor, doch bisher hatte ich immer das Glück, dass meine Kunden auch an der Darstellung dieser Themen interessiert waren. Wenn das einmal nicht so wäre, hätte ich wirklich ein Problem, denn im Grunde fühle ich mich nicht ausschließlich als Dienstleiterin, sondern bin auch Wissenschaftlerin.
Wie gehst du vor, um aus der Fülle an Material am Ende einen logisch aufgebauten Text zu stricken, der bestenfalls sogar kurzweilig zu lesen ist?
Meine Firmengeschichten folgen selbstverständlich einer Chronologie, diese bildet das logische Grundgerüst. Rund um die harten Fakten zur Firmenentwicklung erzähle ich Geschichten zu Produkten, zur Familie, zum Standort und bette alles in die politischen und gesellschaftlichen Zeitläufe ein. Dazu recherchiere ich auch gerne in den regionalen Tageszeitungen, um erzählen zu können, was die Menschen zu dieser Zeit tatsächlich umtrieb. Auf diese Weise entsteht ein rundes Bild vom Unternehmen XY, den Menschen, der Stadt und der Region im Wandel der Zeit.
Wie lange arbeitest du an einem Auftrag?
Ich arbeite gern an 2-3 Aufträgen gleichzeitig, um keinen Leerlauf zu haben, wenn Materialien noch nicht greifbar oder Gesprächspartner gerade nicht erreichbar sind. Deshalb sind die einzelnen Bearbeitungszeiten länger und liegen für eine Firmengeschichte von etwa 150 Seiten bei 12 bis 18 Monaten.
In welcher Form werden deine Ergebnisse am Ende veröffentlicht?
Die fertigen Unternehmensgeschichten sind Bücher mit vielen (farbigen) Bildern und interessanten Geschichten, in denen sich die Menschen wiederfinden. Ich habe aber auch schon Ausstellungstafeln konzipiert, Exponate ausgewählt und aufgebaut.
Manche Kunden suchen auch nur nach ganz bestimmten Informationen zu ihrer Geschichte, die ich recherchiere und zuarbeite.
Was ist für dich das Schönste an deiner Arbeit?
Zu den schönsten Seiten meiner Arbeit gehört für mich,
- dass ich immer neue Menschen kennenlerne, die spannende Geschichten zu erzählen haben,
- dass ich bei meinen Recherchen immer wieder überraschende Erkenntnisse erlange,
- dass ich Menschen und deren Schicksalen auf der Spur bin,
- dass ich in meinem gemütlichen Büro sitzen und alle Ergebnisse zu Texten zusammenführen kann
- … und dass ich meine Neugier auf Menschen und Geschichten zum Beruf gemacht habe.
Vielen Dank, Jana, für deinen Bericht aus einem spannenden Tätigkeitsfeld.
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