Vom konservativen Chef bis zur hochseriösen Branche: Es gibt viele Hürden, die Sie davon abhalten können, beim Texten auch mal kreativer und origineller zu werden. Im heutigen Beitrag zeige ich Ihnen, wie Sie trotzdem Ihren Weg finden.
Texten mit Handbremse – oder mutig sein
In meinen Workshops erlebe ich es immer wieder, dass Teilnehmende sagen: „Ich würde ja gerne noch viel kreativer texten. Aber mein Chef ist mehr von der alten Schule.“ Oder, anderer Fall: Die Branche ist insgesamt konservativ oder es geht um ein sensibles, ernstes Thema, das sich auf den ersten Blick nicht mit kreativen Kapriolen verträgt.
Dass die Branche eine Rolle spielt, daran ist nicht zu rütteln. Eine Steuerberaterin, ein Bestatter oder ein Metallverarbeitungsunternehmen kann beim Texten nun mal nicht so leicht mit witzig-originellen Bildern aufwarten wie ein Reiseveranstalter, eine Singlebörse oder eine Marketingagentur. Und auch der Chef lässt sich nicht einfach ignorieren.
Doch bedeutet das wirklich, dass man das kreative Texten gleich aufgeben sollte?
Neulich hatte ich in meinem Humor- und Storytelling-Workshop eine Teilnehmerin, deren Arbeitgeber sich für die Betroffenen einer chronischen Erkrankung einsetzt. Nicht gerade ein Thema, bei dem man gleich an Humor denkt. Doch die Teilnehmerin sagte: „Auch Patienten und Patientinnen wollen mal lachen. Wenn sie immer nur darauf reduziert werden, was nicht geht, hilft das doch auch niemandem.“ Mich hat ihr Mut beeindruckt, trotz des sensiblen Themas auch mal Neues zu wagen – in aller gebotenen Vorsicht natürlich.
Am Ende ist es oft nur Bequemlichkeit oder übertriebenes Sicherheitsdenken, warum Unternehmen bei den gewohnten seriös-drögen Texten bleiben. Dabei wird viel Potenzial verschenkt. Es lohnt sich daher, genauer hinzuschauen: Was sind denn die Einwände? Und sind sie wirklich stichhaltig?
Einwände gegen kreatives Texten
Schauen wir uns ein paar der typischen Kreativitätseinwände einmal an – und wie sie sich entkräften lassen.
Einwand: „Wir haben das bisher auch nicht gemacht.“
Und früher gab es auch noch einen Kaiser. Will heißen: Zeiten ändern sich. Während es früher gereicht hat, Unternehmens-News sachlich mitzuteilen, gewinnen Sie damit heute keine Follower mehr. Die Menschen wollen unterhalten werden. Nicht zu vergessen: Die Stimmen in den sozialen Netzwerken haben sich vervielfacht, die Konkurrenz ist ungleich größer.
Einwand: „Unsere Kundschaft ist zu konservativ.“
Ein Glaubenssatz, den man ruhig hinterfragen kann. Vielleicht hilft Ihnen eine frischere Ansprache ja, neue Zielgruppen zu erschließen. Und selbst wenn Ihre Zielgruppe in den demografischen Merkmalen stabil bleibt: Menschen ändern sich, werden offener für neue Ansprachen und Tonalitäten. Die Surfgewohnheiten tun dabei Ihr Übriges. Wer sich viel in den sozialen Netzwerken bewegt, gewöhnt sich auch an eine lockerere Ansprache.
Einwand: „Das passt nicht zu unserer Branche / unserem Auftrag.“
Hier sind wir bei der Frage, ob auch eine „ernste“ Branche unterhaltsame Texte verträgt. So viel vorab: Es ist mehr möglich, als Ihr*e Chef*in vielleicht denkt. Unten schauen wir uns das genauer an.
Einwand: „Dafür haben wir keine Zeit / das ist zu viel Aufwand.“
Ja, es kostet mehr Zeit, einen witzig-originellen Text zu schreiben als einen nüchtern-sachlichen. Aber: Es lohnt sich! Der Aufwand, den Sie investieren, zahlt sich langfristig aus – etwa in Form von Followern in den sozialen Netzwerken und damit auch potenziellen Kund*innen.
Wie Sie trotz Hürden kreativer werden können
Was also können Sie tun, um sich trotz der selbst auferlegten oder auch realen Einschränkungen aus der Deckung zu wagen?
1. Beginnen Sie in den sozialen Netzwerken
Von allen Medien sind die sozialen Netzwerke die „weichsten“. Zum einen verschwindet das, was Sie da posten, ja wieder. Sie können sich also leichter ausprobieren, testen, was ankommt und was nicht. Zum anderen greifen hier andere Erwartungshaltungen und Lesegewohnheiten; der Ton ist insgesamt lockerer. Nach und nach können Sie auch andere Medien umstellen. So werden Sie vielleicht zunächst im Newsletter auch mal eine kreative Headline wagen, dann auch auf der Website, zum Schluss in Ihren Printprodukten.
2. Suchen Sie geeignete Themen
Bleiben wir noch bei den Anfängen, den Social Media. Der Vorteil im Vergleich zur Website oder Unternehmensbroschüre ist, dass Sie hier eine Vielzahl an soften Themen haben. Auch wenn Ihre Branche noch so ernst ist: Auch Sie haben mal eine Betriebsfeier, begrüßen neue Azubis oder, kleiner gedacht: starten eine Schrittechallenge unter Kolleg*innen, freuen sich über den Geburtstagskuchen, suchen an einem heißen Tag nach Abkühlung im Büro. Solche Anlässe eignen sich prima, um ein persönliches, vielleicht sogar witziges Posting daraus zu stricken.
3. Fangen Sie klein an
Es wäre keine gute Idee, von einem Tag auf den anderen plötzlich in einen flapsigen Tonfall zu verfallen. Kund*innen erwarten eine gewisse Stabilität; sie würden Ihr Unternehmen nicht wiedererkennen und wären irritiert. Machen Sie es wohl dosiert: hier mal ein Wortspiel, dort mal eine Metapher. Es ist völlig ausreichend, am Anfang kleine Brötchen zu backen. Nach und nach können Sie sich mehr trauen.
4. Holen Sie die Kolleg*innen mit ins Boot
Eben erwähnte ich schon, dass Ihre Leser*innen Stabilität erwarten. Es wäre kontraproduktiv, wenn Sie als einzige*r witzige Postings absetzen, während Ihre ebenfalls postenden Kolleg*innen beim gewohnt nüchternen Tonfall bleiben. Finden Sie also eine gemeinsame Linie, an die sich Ihre Zielgruppe dann auch gewöhnen kann.
5. Übertreiben Sie es nicht
Sich zunehmend mehr zu trauen, bedeutet nicht, dass Sie es zu weit treiben sollten. Ihre Einschränkungen werden nicht völlig verschwinden. So wird die eingangs erwähnte Gesellschaft für chronisch Erkrankte immer dieses sensible Thema haben. Fingerspitzengefühl ist wichtig – immer.
Fazit: Wie kreativ darf es sein?
Dass nicht jede Branche sich gleichermaßen für witzige, originelle Texte eignet, ist klar. Doch es gibt immer Ansatzpunkte, um aus dem gewohnt sachlich-nüchternen Tonfall auszubrechen. In einem Markt, in dem Nutzer*innen zunehmend nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden wollen, sollten Sie sich diese Chance nicht vergeben. Das sollte selbst die zögerlichste Chefin einsehen.
Tipp: In meinem Workshop „Origineller posten“ ist immer auch Gelegenheit, sich über die individuellen Hürden der Teilnehmenden auszutauschen. Das ist jedes Mal ebenso spannend wie befruchtend. Die nächsten Termine finden Sie hier: Online-Workshop „Origineller posten“.
Welches sind Ihre Kreativitätshürden? Verraten Sie es mir gern im Kommentarfeld.
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Ulrike Zecher Schreibcoaching meint
Liebe Annika, liebe Text-Kollegin,
„kreativer texten“? – Ja, das geht. Das muss sogar gehen, wenn mal als Unternehmen aus dem schalen Text-Allerlei hervorstechen möchte.
Und ja, dafür braucht es mehr Gehirnschmalz und Zeit. Gerade trockene Themen wie Finanzen, Versicherung oder Steuern können auf jeden Fall mehr Kohlensäure vertragen. Lohnt sich für das Unternehmen in einem hart umkämpften Markt und die Leserschaft.
Herzliche Grüße aus Köln,
Ulrike
P.S. Freue mich schon sehr auf dein Buch!!
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Ulrike,
na dann – immer rein mit der Kohlensäure! 🙂
Danke für deine netten Zeilen,
liebe Grüße
Annika
Martina Schmid meint
Liebe Annika
Auch ich finde, dass man da unterscheiden kann: in einigen Texten ist die mehr oder weniger trockene, zielgerichtete Information das Gewünschte, andere wiederum vertragen eine Prise Humor oder Ironie. Es muss nicht immer nicht immer Kaviar sein – manchmal kommt das Schmalzbrot sehr gut an. Gesamt sollte alles zur Corporate Identity passen.
Viele Grüße und herzlichen Dank für diesen schönen Artikel.
Martina Schmid
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Martina,
Kaviar oder Schmalzbrot – sehr gut. 😃 Danke für deinen Kommentar!
Kulinarische Grüße
Annika