Geschlechtergerechte Sprache: Ein Thema, das polarisiert. Befürworter und Gegner liegen sich erbittert in den Haaren. Tassen fliegen, eine Vase geht zu Bruch. Dazwischen mit eingezogenen Schultern Menschen wie ich: die die Notwendigkeit gendergerechter Sprache einsehen, aber an der Praxis scheitern. (Hätte ich schreiben sollen „Befürworter/innen und Gegner/innen“?)
Umso mehr bewundere ich Leute, die sich mit großem Herzblut für das Gendern einsetzen – und zwar am besten, ohne dabei mit Porzellan zu werfen. So wie meine Kollegin Birte. Birte Vogel ist Journalistin und Sachbuchautorin, ich kenne sie aus meinem Netzwerk und von ihrem feministischen Blog Thea. Darin schreibt sie über Geschlechterklischees und Diskrimierung in Sprache, Medien und dem öffentlichen Bild.
Die ideale Gesprächspartnerin also für ein Interview zum Thema Gendern – und, hurra, Birte wollte meine Fragen sogar beantworten. 🙂
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Liebe Birte, warum ist Gendern so wichtig?
Stell dir einmal eine Besprechung vor, in der Sandra und Simon sitzen, und die Chefin spricht immer nur von Sandra. Sie lässt Simon aus, in jeder einzelnen Besprechung, egal wie sehr er sich anstrengt. Selbst wenn er doppelt und dreifach so gut und so engagiert ist wie Sandra – es geht trotzdem immer nur um sie. Was macht das wohl mit Simon?
Im besten Fall ist er ganz froh, dass die Chefin ihn nicht auf dem Kieker hat. Aber er schaltet deshalb auch ab und hört gar nicht mehr zu. Im schlimmsten Fall geht er nicht mehr zu den Besprechungen, weil er sich zu Recht fragt, warum er da seine Zeit verschwenden soll, wenn es doch immer nur um Sandra geht. So hat das Ganze Auswirkungen auf seine Arbeit. Er zieht sich immer mehr zurück, hat das Gefühl, dass er nicht mehr wahrgenommen wird, nicht mehr erwünscht ist und nicht zählt. Er macht sein eigenes Ding. Und die anderen denken: „Der Simon hat wohl schon innerlich gekündigt. Na, dann machen wir eben ohne ihn weiter.“
Nicht anders geht es Frauen. Denn unsere Sprache ist bis heute extrem männerzentriert. Egal wohin wir schauen – in die Zeitung, auf Firmenwebsites oder auf die Steuererklärung – Frauen kommen da kaum oder nur nachrangig vor. Vordergründig geht es da fast immer um Männer, selbst wenn es ausschließlich um Frauen geht. Sogar online, wo nun wirklich so gut wie immer ausreichend Platz für die Erwähnung von Frauen wäre, werden selbst Bilder, auf denen ausschließlich Frauen zu sehen sind, häufig mit dem männlichen Begriff betitelt.
Das führt dazu, dass Frauen selten oder gar nicht wahrgenommen und dementsprechend auch nicht mitgedacht werden. Genau wie Simon übersehen wird, wenn die Chefin immer nur von Sandra spricht, obwohl beide gleich wichtig für die Firma sind.
Die Sprache beeinflusst unser Denken und unsere Wahrnehmung in besonderer Weise, und sehr viel mehr als wir glauben. Was wir nicht sprechen, sehen wir nicht – wir übergehen es. Das geschieht oft ganz unbewusst. Damit Frauen aber endlich genauso sichtbar werden wie Männer, damit wir sie wahrnehmen und mitdenken, müssen wir sie mitsprechen. Das Gendern gibt Frauen den Platz in der Sprache, der ihnen schon immer zusteht.
Das Argument der Gender-Gegner ist ja immer: Das generische Maskulinum würde die weibliche Form mit beinhalten. Was entgegnest du da?
Dass ich diese ewiggestrige, frauenfeindliche Scheinargumentation, die längst wissenschaftlich widerlegt wurde, wirklich leid bin. Es ist nachgewiesen, dass die meisten Menschen beim generischen Maskulinum Frauen weder mitdenken noch mitmeinen. Und dass sich die Frauen davon mehrheitlich nicht mitgemeint oder angesprochen fühlen.
Das menschliche Hirn ist ja kein vorsintflutlicher Grammatikroboter, der für immer tut, was ihm einmal in der 5. Klasse einprogrammiert wurde. Es hat vielmehr über Jahrzehnte gelernt, die Theorie immer mit der Praxis abzugleichen und umgekehrt. Und dann beides an die neuen Erkenntnisse anzupassen.
Heute, im 21. Jahrhundert, ist eine Frau „die Lehrerin“ und ein Mann „der Lehrer“. Schon im Kindergarten lernen wir, dass es „Frau Södergreen“ und „Herr Müller“ heißt. Es gibt also sprachlich eine Unterscheidung zumindest dieser zwei Geschlechter. Einen Satz wie „Frau Södergreen ist unser Klassenlehrer“ würden sämtliche Lehrkräfte vom Grundschulaufsatz bis zur Promotion als falsch anstreichen, denn er ist nicht nur in der Theorie falsch, sondern auch in der Praxis.
Wenn uns jemand fragt: „Wer ist dein Lieblingsschauspieler?“, dann beantworten wir das in aller Regel mit einem männlichen Namen, ob die Frage nun tatsächlich geschlechtsneutral gemeint war oder nicht. Erst wenn wir gefragt werden: „Und deine Lieblingsschauspielerin?“, fallen uns Frauen dazu ein.
Wenn wir älter werden, verfestigt sich dieses Bild durch die täglich erlebte Praxis, dass wir sprachlich und real zwischen unterschiedlichen Geschlechtern unterscheiden. Frauen geht es dann bei dem generischen Maskulinum – oft unbewusst – genau wie Simon aus dem Beispiel oben: Werden wir Frauen nicht mitgesprochen, steigen wir bei „der Kunde“, „der Unternehmer“, „der Steuerzahler“, „der Leser“ usw. aus, weil wir ganz offensichtlich nicht gemeint sind. Genauso wenig wie Simon gemeint ist oder sich mitgemeint fühlt, wenn jemand immer nur von Sandra spricht.
Diejenigen, die so sehr auf das Maskulinum pochen, verschweigen ja außerdem noch gerne eins: dass es in der täglichen Kommunikation gar nicht nur um das geht, was jemand sagt, und wie das rein theoretisch gemeint ist, sondern auch um das, was beim Gegenüber ankommt. Selbst wenn eine Einzelperson Frauen wirklich einmal mitmeinen sollte, fühlen Frauen sich mehrheitlich mit dem Maskulinum trotzdem nicht gemeint oder angesprochen, da ihre Lebenserfahrung eine andere ist als die grammatische Theorie – die eben nur eine Theorie ist und der Praxis schon seit Jahrzehnten nicht mehr standhält. Wer also auf das generische Maskulinum besteht, hat entweder den Bezug zur Praxis und damit womöglich auch zur Realität verloren oder will Frauen ganz bewusst ausschließen.
Welche Möglichkeiten gibt es, die weibliche Form mit einzufügen? Welche würdest du empfehlen, welche nicht? Und was sagt eigentlich der Duden dazu?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, über Frauen zu sprechen und zu schreiben, und wir haben längst noch nicht alle ausgeschöpft. Einige der einfachsten sind die neutralen Formen wie „Lehrkräfte“ statt des maskulinen Plurals „Lehrer“. Oder auch die Schreib- und Sprechweise des sogenannten Gendergap, also „Lehrer_in“. Wie man sie ausspricht, hat der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch vorgemacht.
Dieser Gendergap kann allerdings nur eine Übergangslösung sein, bis wir uns auf diskriminierungsfreie Formen geeinigt haben. Denn er lässt Frauen, wie schon das Binnen-I („LehrerIn“) oder der Schrägstrich („Lehrer/in“) aus den 1980er Jahren, nur als Anhängsel der männlichen Form erscheinen – das kann natürlich nicht unser dauerhaftes Ziel sein. Aber immerhin werden Frauen dadurch endlich stärker sichtbar.
Der Duden hat 2017 das Buch „Richtig gendern“ herausgebracht, was zwar ganz löblich ist. Doch leider hinkt er damit der Zeit etwas hinterher und wirkt in seiner Komplexität auf viele eher abschreckend. Auf der Duden-Website fehlen außerdem immer noch sehr viele weibliche Formen, und es stehen unter den vorhandenen meist sehr viel weniger Informationen, Beispiele und Synonyme als bei den männlichen. Das muss sich ändern.
Aber die Diskussion, wie eine diskriminierungsfreie Sprache aussehen und klingen kann, ist immerhin in Gang, und ich hoffe, dass es bald ganz normal und selbstverständlich sein wird, von Frauen zu sprechen, wenn Frauen gemeint sind, egal in welcher Form.
Mein Sportkursanbieter ist kürzlich umgestiegen von „Einsteiger/-innen und Fortgeschrittene“ auf „Level 1 und Level 2“. Das zeigt doch: Wenn man um die Ecke denkt, gibt es manchmal noch überraschende Lösungen jenseits von „Lehrende“ und „Mitarbeitende“. Aber eben nicht immer. Mir persönlich fällt es total schwer, Abstriche an der Lesbarkeit zu machen. Wie soll man deiner Meinung nach mit diesem Dilemma umgehen?
Dein Sportkursanbieter ist ein schönes Beispiel! Es ist eigentlich gar nicht so schwer. Die größte Hürde dabei sind m. E. die inneren Widerstände vieler Menschen, auch und besonders bei Texter_innen und Journalist_innen. Sie finden es zwar mittlerweile richtig, das N-Wort nicht mehr zu benutzen, aber Frauen sprachlich zu diskriminieren, ist für viele immer noch völlig in Ordnung. Da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.
Das mit der vermeintlich schlechteren Lesbarkeit höre ich sehr oft als Argument, allerdings halte ich es in der Regel für vorgeschoben. Heute beschwert sich niemand mehr über die angebliche Unlesbarkeit von Wörtern wie „dass“, „Tollpatsch“, „platzieren“, „Fotovoltaik“ oder „Schifffahrt“. Dabei hatten in den 1990er Jahren sogar noch große Medienhäuser lautstark gegen diese Rechtschreibreform protestiert, sogar Boykotte angekündigt. Und heute? Wir haben uns daran gewöhnt.
Genauso werden wir uns an neue Schreib- und Sprechweisen gewöhnen, die Frauen nicht mehr ausschließen und diskriminieren. Wir müssen sie nur häufig genug lesen. Immerhin haben selbst einige angesehene, überregionale Medien und viele Unternehmen bereits begonnen eine geschlechtergerechte Schreibweise zu übernehmen – wir sind also endlich auf dem richtigen Weg.
Welche Vorgehensweise würdest du einem Unternehmen empfehlen, das seine Kommunikation geschlechtergerecht umstellen möchte?
Es einfach zu tun. Die Gelegenheit war nie besser, das Potenzial der Kommunikation vollständig auszunutzen. Und das Beste ist: Es kostet ja keinen Cent zusätzlich. Aber es kann ihnen langfristig dabei helfen, die Zielgruppe der Frauen sehr viel besser zu erreichen. Und zwar jenseits aller Klischees. Denn die meisten Frauen sind sich, genau wie Simon von vorhin, sehr genau dessen bewusst, welches Unternehmen sie ernsthaft respektiert und welches nur so tut als ob.
Danke für deine spannenden Antworten, liebe Birte.
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PS: Meine Kollegin Lilian Kura hat sich in ihrem Blog die verschiedenen Gender-Schreibweisen vorgenommen, vom Binnen-I bis zum Gendersternchen: Gendergerechte Sprache. Es ist kompliziert. Andrea Görsch, ebenfalls eine Kollegin, gibt Ihnen noch neun schnelle Tipps zum Gendern an die Hand.
Die heilbringende Lösung ist nicht dabei, natürlich nicht – sonst hätten wir ja die Debatte nicht. Bleibt nur: Flexibel sein. Kreativ sein. Und: Sensibel sein für das, was Sprache jenseits der bloßen Buchstaben immer mittransportiert.
Und Sie? Was halten Sie vom Gendern? Achten Sie auf eine geschlechtergerechte Sprache und was empfinden Sie als die größte Schwierigkeit dabei? Über Ihre Kommentare würden Birte Vogel und ich uns freuen.
Farina Meiser-Sakallah meint
Liebe Frau Dr. Lamer,
vielen Dank für diesen Text. Ich versuche schon seit einiger Zeit in meinen Texten zu gendern, werde aber regelmäßig von anderen Kolleginnen und Kollegen und auch den Führungskräften dafür kritisiert. Es würde den Lesefluss stören und keiner würde so sprechen. Haben Sie noch einen Tipp, wie man mit kritischen Stimmen umgehen kann?
Vielen Dank für Ihren Blog und die ansprechenden Texte – ich freue mich immer über Ihren Newsletter.
Viele Grüße
Farina Meiser-Sakallah
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Frau Meiser-Sakallah,
vielen Dank für Ihren Kommentar und das nette Feedback. Tja, es ist schwer … Werden Sie nur dafür kritisiert oder müssen Sie die Texte tatsächlich wieder ent-gendern? Wenn es nur Ersteres ist, würde ich einfach freundlich deutlich machen, dass dies nun mal meine Meinung und meine Vorgehensweise ist. Lassen Sie sich nicht entmutigen!
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Manuela Marggraff meint
Liebe Frau Dr. Lamer,
Ihre Beiträge gefallen mir sonst immer sehr gut und sind mir auch oft eine Hilfe – aber dass Sie sich fürs Gendern aussprechen, hat mich enttäuscht. Das Gendern verhunzt die deutsche Sprache immens. In der FAZ erschien am 21.02.2019 ein Beitrag von Helmut Glück, der mir aus dem Herzen spricht. Vielleicht überdenken Sie nach dem Lesen dieses Artikels noch einmal Ihre Meinung zum Gendern:
https://edition.faz.net/faz-edition/politik/2019-02-21/76c2db06e178adbe5dc8c1c0f344822a/?GEPC=s9
Herzliche Grüße
Manuela Marggraff
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Frau Marggraff,
danke für Ihren Kommentar. Ja, das Gendern polarisiert. Der Artikel von Herrn Glück ist auch nur eine Meinung, der man folgen kann oder nicht.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Manuela Marggraff meint
Dass der Artikel „nur eine Meinung“ ist, finde ich gerade nicht, liebe Frau Dr. Lamer. Herr Glück hat Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Bamberg gelehrt und seine Ausführungen sind substantiiert. Ich bin der Meinung, dass diese Genderei vor allem der politischen Korrektheit geschuldet ist, die der Mainstream unreflektiert übernommen hat. Bleibt zu hoffen, dass sich irgendwann auch wieder der gesunde Menschenverstand durchsetzt.
In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und wünsche Ihnen alles Gute
Manuela Marggraff
Sigi Lieb meint
Sehr geehrte Frau Marggraff, auch wenn Herr Glück Sprachwissenschaft studiert hat, so ist seine Meinung dennoch nur eine Meinung, der, wie Frau Lamer sagt, man folgen kann oder auch nicht.
Ich bin die unsinnige Argumentation von Sprachpuristen leid. Sprache ist Ausdruck von gesellschaftlicher Wirklichkeit. Sprachwandel ist normal. Und dass wir heute nicht mehr in der gesellschaftlichen Wirklichkeit von 1950 leben ist auch normal.
Wenn in einer Berufschulklasse für Erzieherinnen die Lehrerin das generische Feminin verwendet, weil es nun mal 29 Frauen und 1 Mann sind, dann beschwert sich der Mann. Logisch. Er fühlt sich nämlich nicht mitgemeint. Berufsbezeichnungen haben seit jeher ein generisches Feminin und ein generisches Maskulin. Und Menschen, die Berufe ausüben haben einen Sex. – Ich finde gendern übrigens gar nicht so schwer, wenn man mal den Kopf aus dem Schützengraben nimmt und über Sprache ohne Scheuklappen nachdenkt. Die deutsche Sprache bietet dafür alles, was man braucht. Das mag ich so an ihr.
Christian Schreiber meint
Wie titelte die Neue Zürcher Zeitung kürzlich: „Sprachen wandeln sich immer – aber nie in Richtung Unfug“. „Gendern“ kann somit kaum als natürliche Entwickung von Sprache bezeichnet werden. Eher stehen hier ideologische Ziele im Vordergrund. Den Menschen soll eine „gerechte“ Sprache übergeholfen werden. Als hilfloser Versuch, Gleichheit zu schaffen, wo es gar keine Ungleichkeit gibt. Ich persönlich kenne keine Frau, die sich mir gegenüber je beklagt hätte, sich irgendwo sprachlich ausgegrenzt zu fühlen.
Ich empfehle zum Thema den lesenswerten Artikel aus der taz vom 10.04.2019 mit der Überschrift „Nicht vom selben Gendersternchen“ (http://www.taz.de/Die-Wahrheit/!5584001/). Das Blatt steht nun wahrlich nicht in dem Verdacht, frauenfeindlich oder gar „rechtsgerichtet“ zu sein. Gerade daher ist die Veröffentlichung dieses Beitrags der Autorin Susanne Fischer so beachtenswert.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Schreiber,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Den Artikel von Frau Fischer empfinde ich als klassisches Porzellan-Werfen – da klingt sehr viel Wut mit. Und Wut liegt mir fern.
Viele Grüße
Annika Lamer
Sigi Lieb meint
Liebe Annika,
vielen Dank für das Interview.
„Ich glaube, ein Problem beim Gendern ist, dass viele es als ätzend, anstrengend, staubtrocken und künstlich-steif empfinden. Aus dieser Ecke sollten wir es rausholen.“ Ja, unbedingt.
Mich nerven diese Grabenkämpfe. Sprache ist Ausdruck von Gesellschaft und Sprachwandel drückt gesellschaftlichen Wandel aus.
Es ist der deutschen Sprache nicht angemessen, sie allein aus einer linguistische Tradition heraus zu begreifen. Das war sie nie und ist es nicht. – Einen Originaltext von Goethe würde heute kaum noch einer verstehen, jedenfalls nicht ohne sprachwissenschaftliche Expertise. Selbst Erich Kästner im Original ist heute für Kinder, für die es ja geschrieben ist, nicht mehr verständlich (viel zu viel Konjunktiv). Aber das Deutsche ist ja gerade deswegen so schön, weil es so beweglich ist.
Die Diskussion ist ja schon ewig alt, ich erinnere mich an Genderdiskussionen Mitte der 90er Jahre. Hier habe ich zum Gendern gebloggt, insbesondere für Berufe, die traditionell weiblich sind, also eher ein generisches Feminin besitzen.
https://www.gespraechswert.de/richtig-gendern-wie-heisst-eine-maennliche-kinderfrau/
Inzwischen habe ich einen Workshop entwickelt, wie man schön gendern kann, jenseits von Purismus und Grabenkämpfen. Ich finde nämlich, das geht. Wenn auch nicht immer 100 Prozent konsequent. Aber wo bitte ist die deutsche Sprache konsequent?
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Sigi,
danke für deinen Kommentar und den Link zu deinem tollen Beitrag. Der nennt ganz viele wichtige Aspekte.
Am wichtigsten finde ich ja immer das Beweglich-Bleiben: Wenn „Kinderjunge“ nicht als männliche Entsprechung für „Kindermädchen“ taugt, muss man halt weitersuchen, und oha, da gibt es ja Möglichkeiten (so wie die von dir genannten „Hirte, Au Pair, Betreuer, Nannerich“).
Das Gleiche müssen wir für die Frauen tun. Die Lösungen, die wir finden, klingen vielleicht erst mal sperrig und ungewohnt. Aber genau wie du sagst: Sprache ist beweglich – solange wir Sprecher beweglich bleiben.
(Und ja, „Sprecher“ habe ich jetzt nicht gegendert. Denn ich persönlich folge da keiner Doktrin. Ich versuche nur, sensibel und aufmerksam zu bleiben.)
Liebe Grüße
Annika
Hans-Joachim Rudolph meint
Das Beispiel mit Sandra und Simon trifft meiner Meinung nach nicht den Kern des Problems, denn wenn die Chefin ihre Mitarbeiter beim Namen nennt, werden sich die beiden jeweils angesprochen fühlen – oder eben nicht.
Kein Zweifel, die Sprache beeinflusst das Denken, daher werden wir wohl um die geschlechtsneutrale Schreibweise auf Dauer nicht herumkommen. Die Frage ist nur: wie schreiben? Eine meiner Lieblingspublikationen hat jetzt angefangen, einen Doppelpunkt zu setzen, also „Leser:innen“ zu schreiben. Finde ich furchtbar: Vergewaltigung eines Zeichens.
An das große Binnen-I fangen wir langsam an, uns zu gewöhnen, doch das empfindet Ihre Interviewpartnerin ja als „Anhängsel der männlichen Form“. Jedes Mal „Leserinnen und Leser“ zu schreiben, ist total umständlich und schwerfällig. Ich schreibe viel und täglich – glücklicherweise sind wir in der Technischen Redaktion in unserem Unternehmen noch ziemlich schmerzfrei und verwenden einfach immer die männliche Form, obwohl Frauen und Männer fast gleich stark vertreten sind. Denn eine gute sprachliche Lösung kenne ich nach wie vor nicht.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Rudolph,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Eine gute sprachliche Lösung sehe ich auch noch nicht, leider. Ich denke schon, dass sich irgendwann ein Gewöhnungseffekt einstellen wird. Dann wird man die Bezeichnung als Ganzes lesen und es wird einem nicht mehr auffallen. So wie man ja auch nicht Buchstabe für Buchstabe liest, sondern ein Wort als Ganzes wahrnimmt. Gerade wenn ich da an Wörter denke, die ganz anders ausgesprochen werden, als sie geschrieben werden (in anderen Sprachen mehr noch als im Deutschen).
Das Problem ist natürlich: So lange man sich nicht auf eine Lösung einigen kann und jeder es anders löst, kann sich auch schwer ein Gewöhnungseffekt einstellen.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Uta Schulz meint
Hallo Frau Lamer,
vielen Dank für diesen Artikel.
Vielen Menschen ist das Gendern ein Bedürfnis. Wir nutzen u. a. Sprache, um unsere Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen und für viele ist ihr Geschlecht, ob männlich, weiblich oder anders, ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit. Das müssen auch diejenigen hinnehmen, die die ganze Kategorie Geschlecht für sich am liebsten streichen würden. Immerhin haben wir im Deutschen den Genus als Werkzeug, um das Bewusstsein der Menschen beim Lesen oder Sprechen auf ein bestimmtes Geschlecht zu lenken, ein Mittel, auf das andere Sprachen auf dem Weg zur Gleichberechtigung aller verzichten müssen.
Nun tummeln sich in der Kategorie Geschlecht weitaus mehr Mitmenschen als nur Männer und Frauen. Wer alle ansprechen will, wird sich nicht kurzfassen können.
Mir als technischer Übersetzerin wird das Gendern in aller Regel verwehrt. Es gilt, Platz zu sparen. Mich tröstet der Gedanke, dass die Bedienerin der Maschine wohl eher pragmatisch-technische denn linguistische Interessen hat und sich beim Lesen auf den Kern der Sache konzentriert.
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Frau Schulz,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich finde, es ist auch schon einiges erreicht, wenn man männliche Bezeichnungen nicht mehr sang- und klanglos hinnimmt, sondern zumindest hinterfragt: Geht’s nicht auch anders? Nicht immer wird man eine Lösung finden. Aber manchmal eben doch. 🙂
Viele Grüße
Annika Lamer
Sabine Schlimm meint
Super, vielen Dank für dieses Interview!
Ich gehöre auch zu denjenigen, die sich nicht nur nicht mitgemeint, sondern sprachlich oft konkret ausgegrenzt fühlen, wenn nur die männliche Form verwendet wird. Und je stärker das Gendern in der Öffentlichkeit diskutiert wird, desto mehr stößt mir auf, wenn nicht gegendert wird. Denn inzwischen dürften alle von dem Thema schon mal gehört haben, und wer sich gegen das Gendern entscheidet, tut es demnach wohl bewusst – und nimmt zumindest billigend in Kauf, einen großen Teil des Publikums nicht mit anzusprechen.
In meiner Eigenschaft als Texterin finde ich es manchmal allerdings auch schwierig, gute Lösungen zu finden. Ich verwende persönlich gern das Gendersternchen, kann das in Texten für Kund*innen aber nicht immer tun, wenn es in den Firmen intern bisher keinen Konsens gibt. Dann versuche ich, so gut es geht, um das Problem drumherumzuschreiben: indem ich beide Geschlechter nenne (aber eben auch nur zwei – was wieder Menschen ausschließt), indem ich Sachverhalte in konkrete Beispiele fasse und darin abwechselnd Männer und Frauen handeln lasse, oder indem ich umschreibe.
Ein Problem beim Umschreiben lässt sich meines Erachtens nicht leugnen: Texte werden oft unpersönlicher, wenn man beispielsweise von Anfänger*innen und Fortgeschrittenen von Level 1 und 2 spricht. Was ja eigentlich auch nicht gewollt sein kann.
Aber ich gehe davon aus, dass es immer mehr gute Beispiele fürs Gendern geben wird, von denen wir uns etwas abgucken können. Sofern wir dazu bereit sind.
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Sabine,
vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast drei wichtige Lösungsmöglichkeiten genannt: beide Geschlechter nennen, konkrete Beispiele mit abwechselnd handelnden Personen finden oder die Personenbezeichnungen streichen. Aber ja, das birgt die Gefahr, dass es dadurch unpersönlicher wird. Ein Dilemma.
Liebe Grüße
Annika
Renate Blaes meint
Vom Gendern halte ich wenig bis gar nichts. Und mit meiner Meinung stehe ich ja nicht allein da, denn viele Menschen, die mit Sprache zu tun haben, sehen es ähnlich. Unter anderem die graue Eminenz der Sprache, Wolf Schneider, der vor 4 (!) Jahren dazu schon seine Meinung äußerte:
http://www.journalismus-handbuch.de/wolf-schneider-uber-geschlechter-gerechte-sprache-ich-habe-ihr-offentlich-den-krieg-erklart-4665.html
Deshalb werde ich in meinen Texten und Büchern weiter die altbewährten Begriffe verwenden.
Viele (Frauen) regen sich über geschlechterungerechte Sprache auf. Ich dagegen rege mich über die virulent zunehmende Unkenntnis von Grammatik und Rechtschreibung auf. Bei Frauen und Männern gleichermaßen. DAS finde ich bedenklich. Und darauf sollte viel mehr hingewiesen werden. Denn es hat mit dem Zerfall von kulturellen Werten zu tun.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Frau Blaes,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Wie ich schon zu einem anderen Kommentar schrieb, mir persönlich liegt Wut fern. Sprache ist etwas Wunderbares und etwas Wandelbares. Vielleicht werden sich manche Strukturen vereinfachen (Stichwort Rechtschreibung und Grammatik). Vielleicht wird die Sprache weiblicher auf Wegen, die wir jetzt noch gar nicht erahnen.
Das alles wird nicht von heute auf morgen passieren. Aber über die Jahrhunderte betrachtet ist Sprache Bewegung. Ich halte das für etwas sehr Positives.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Achim Kreuzberger meint
Hier das Beispiel eines perfekt gegenderten Textes und jede Menge Kommentare, die zeigen, wie sehr das Thema polarisiert – auch bei einem Publikum, das sicher nicht als stock-konservativ einzuordnen ist:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2019-05-09/so-arbeiten-lobbyistinnen-deutschland#comment-734759
Ich werde mich ebenfalls nicht daran gewöhnen können (oder wollen) und weiterhin beim Schreiben hauptsächlich auf Lesbarkeit achten. Ich finde, es gibt wichtigere Probleme auf der Welt zu lösen.
Übrigens: Wie spricht man eigentlich perfekt gegendert? Könnte eine der Gender-Befürworter*innen vielleicht die Sprachaufnahme eines ähnlichen Textes zur Verfügung stellen?
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Kreuzberger,
den von Ihnen verlinkten Beitrag finde ich auch nicht gut zu lesen. Ich bin da viel mehr bei der Vor-Kommentatorin Sabine Schlimm:
„Dann versuche ich, so gut es geht, um das Problem drumherumzuschreiben: indem ich beide Geschlechter nenne (…), indem ich Sachverhalte in konkrete Beispiele fasse und darin abwechselnd Männer und Frauen handeln lasse, oder indem ich umschreibe.“
Es geht darum, kreative Lösungen zu finden. Vielleicht nicht immer, aber wenigstens ab und zu.
Viele Grüße
Annika Lamer
Andrea meint
Liebe Annika, liebe Birte,
danke für diesen guten Beitrag, für mich sind drei Punkte elementar:
– Mitgemeint ist nicht genug. Dass es nicht funktioniert, haben wir gesehen, ist erforscht …
– Mit etwas Gehirnschmalz kann sehr wohl auch schön gegendert werden.
– Der Weg ist noch lang, das zeigen auch die Reaktionen auf diesen Beitrag.
Gruß – Andrea
Dr. Annika Lamer meint
Danke, liebe Andrea. 🙂
Lilian Kura meint
Liebe Annika,
ich danke Dir herzlich für diesen Artikel und das lesenswerte Interview.
Gerade habe ich selbst einen Artikel zum Thema gendergerechte Sprache gebloggt und Dich direkt mit zitiert: http://www.textzicke.de/gendergerechte-sprache-es-ist-kompliziert
Über manche Kommentare hier bin ich sehr erschrocken.
Exakt die verwendeten abfälligen Formulierungen wie
– „diese Genderei“
– „politische Korrektheit, die der Mainstream unreflektiert übernommen hat“
– „Ich finde, es gibt wichtigere Probleme auf der Welt zu lösen“
– „hilfloser Versuch, Gleichheit zu schaffen, wo es gar keine Ungleichheit gibt“ …
sind ja das Herz des Problems!
Sie erkennen der Problematik nämlich komplett ihre Daseinsberechtigung ab – und das ist fatal.
Man prangert wortreich an, dass korrektes Gendern die Sprache verhunzt, nimmt aber gleichzeitig hin, dass Frauen weiterhin als der unwichtigere Teil der Gesellschaft sprachlich hintenüber fallen. (Hat man ja schon immer so gemacht, pöh, warum also etwas dran ändern?)
Das kann man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Niemand bestreitet, dass korrekt gegenderte Texte etwas schwieriger zu lesen (und zu schreiben) sind. Ich bin selbst Texterin und ich seufze manchmal sehr über diese neue Aufgabe. Ja, manchmal fluche ich sogar, und zwar in höchstem Maße unkorrekt.
Liebe Gegner von Gendersternchen & CO:
Auch Frauen (in Hosen, OMG!) an Wahlurnen waren mal ein Unding, an das wir uns recht schnell gewöhnt haben – ebenso wie an die neue deutsche Rechtschreibung.
Genauso werden wir uns an dies hier gewöhnen, das so viel wichtiger ist als einfachere s/ss-Schreibregelungen. Welche Lösung auch immer sich etablieren wird.
Es ist für mich schwer zu verstehen, wie man willens sein kann, etwas so Essenzielles wie echte Sichtbarkeit von 50% der Bevölkerung der eigenen Bequemlichkeit und Gewohnheit zu opfern.
In der Hoffnung, dass hier gesunder Menschenverstand und Entwicklungsfähigkeit siegen werden, grüßt
Lilian Kura
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Lilian,
danke für deinen Kommentar und die Verlinkung. Ich habe deinen Blogbeitrag oben direkt mal nachgetragen, weil ich deine Aufstellung der verschiedenen Gender-Schreibweisen sehr gelungen finde.
Was ich auch gut daran finde: dass du es mit Humor nimmst. Ich glaube, ein Problem beim Gendern ist, dass viele es als ätzend, anstrengend, staubtrocken und künstlich-steif empfinden. Aus dieser Ecke sollten wir es rausholen.
Liebe Grüße
Annika
Nina Bodenlosz meint
Warum reagieren manche Leute so unfassbar aggressiv auf geschlechtergerechte Sprache?
Ich denke, sie haben Angst vor Unbequemlichkeit und Veränderung. Sie stellen fest, dass ein großer Teil der Bevölkerung grundsätzlich kein Problem mehr mit dem Gendern hat (auch wenn es praktisch nicht immer so simpel ist). Das macht sie umso wütender. Weil ihnen die Argumente längst ausgegangen sind und selbst die Duden-Redaktion ihnen nicht mehr zustimmt.
Ich kann es fast nachvollziehen, dieses Bedürfnis, sich am Althergebrachten festzuklammern. Es scheint doch so einfach, selbstverständlich und praktisch zu sein. Warum muss man das hinterfragen?
Die Frauen hatten sich schließlich dran gewöhnt, um die Ecke denken zu müssen und evtl. mitgemeint zu sein. Warum sind die „auf einmal“ so schwierig mit der Sprache, mit dem #Metoo und was noch allem? Wie lästig 🙂
Sprachwandel scheint erstmal anstrengend und verwirrend, gerade für die, die mit dem alten Status quo gut gefahren sind.
Und tatsächlich sind wir ja im Moment in einem Stadium, wo wir nicht wissen, was die beste, die „richtige“ Lösung ist.
Ich selbst finde die Suche nach neuen sprachlichen Möglichkeiten spannend. Aber ich bin Autorin und gehe mit Sprache spielerisch und entspannt um. Und ich bin eine Frau und möchte, dass Frauen auch sprachlich klar sichtbar sind.
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Nina,
ganz genau – spielerisch und entspannt. 🙂 Danke für deinen Kommentar!
Viele liebe Grüße
Annika
Zille meint
Ja, ja, ja – endlich Logik und Geschlechtergleichberechtigung!
Es kann einfach nicht mehr so weitergehen, dass neben dem geschlechtsneutralen Begriff Lehrer, also der Gesamtheit der Lehrenden, einzig und allein eine weibliche Form im allgemeinen Sprachgebrauch existiert. Neben der Lehrerin muss es deshalb auch endlich die männliche Form, den Lehrerer geben! Es ist schon ziemlich schlimm, dass der Beruf der Lehrer als eine Domäne der Frauen gesehen wird, was im übrigen auch die Statistik eindrucksvoll bestätigt.
Man kann über das Gendern denken was man will, man kann dafür oder dagegen sein, eins ist allerdings unbestreitbar: den »Bezug zur Praxis und damit womöglich auch zur Realität« hat verloren, wer glaubt, dass sich umständliche Sprache irgendwie durchsetzen würde. Vorher friert die Hölle zu.
Soll heißen, ich befürworte Gender-Sprech und Gender-Schreib – nur muss es einfacher oder doch zumindest gleich einfach wie die gelebte Praxis sein. Umständlich Sprach-Purzelbäume mögen mir erspart bleiben. Viel Erfolg bei der Suche nach der Quadratur des Kreises.
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Zille,
ja, das ist es wohl: die Suche nach der Quadratur des Kreises. Bis der Kreis quadratisch wird, wird es sicher dauern. Vielleicht hundert, vielleicht zweihundert Jahre. Aber wir sollten einfach anfangen, ihn Stück für Stück ein bisschen eckiger zu machen. Denn das ist immer noch besser, als ihn rund zu lassen, nur weil das immer schon so war.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Hans-Werner Leopold meint
Frauen bestimmen mein Leben: Ehefrau, drei Töchter, drei Enkelinnen – daneben aber auch drei Schwiegersöhne und zwei Enkel. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Welt eine bessere wäre, hätten Frauen von Anfang an dominiert. Aber die Evolution wollte es anders.
Ich habe kein Problem damit, (sprachlich) weiblich zu sein: eine Person – in meinem Fall eine (biologisch) männliche Person. Ich hatte nie ein Problem damit, dass meine Frau mehr Geld verdient als ich – auch jetzt im Ruhestand. Aber ich habe ein Problem damit, dass überall Frauen von Männern verprügelt, vergewaltigt, allenthalben sexistisch verunglimpft und für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden. Die hierfür verantwortlichen Männer gehören verfolgt, vor Gericht gestellt und mit Strafen belegt – langjährige Haftstrafen für einschlägige Gewalttäter, schmerzhafte Geldstrafen für ungerecht zahlende Unternehmer.
Es gibt etliche Möglichkeiten, diese Missstände zu beseitigen. Mit der Sprache jedoch werden wir es nicht schaffen, solange dogmatische Gendrifizierungs-Fanatiker die Diskussion bestimmen. Die führen am Ende dazu, dass jetzt tatsächlich von Mitglieder*innen zu lesen war. Damit ist passiert, was ich vor zehn Jahren schon mit der satirisch gemeinten Bemerkung vorausgesagt habe, es sei sicher bald auch von Mitgliederinnen und Mitgliedern die Rede.
Kürzlich erhielten wir ein offizielles Anschreiben mit der Begrüßung:
„Liebe Teilnehmer*innen und Teilnehmer“ …
Es reicht!
Hans-Werner Leopold
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Herr Leopold,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Nur weil falsch verstandenes Gendern zuweilen seltsame Blüten treibt, muss man es doch nicht per se verteufeln. Ich lehne ja auch nicht Anglizismen pauschal ab, nur weil einige davon nicht hübsch sind.
Und, hey: Wir müssen ja die „dogmatischen Gendrifizierungs-Fanatiker“ nicht die Diskussion bestimmen lassen. 🙂
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Katja Rosenbohm meint
Liebe Annika,
vielen Dank für diesen Beitrag! Zum Thema Gendern ist der Nachholbedarf in Deutschland groß, die Schweiz etwa ist bereits weiter.
Beim Stichwort geschlechtergerechte Texte denken viele leider ausschließlich an die sogenannte Sparschreibung bei Doppelnennung in den unterschiedlichsten Ausprägungen wie Leser/-innen, Leser*innen, LeserInnen, Leser_innen, Leser(in). Dabei ist das nur ein Element in unserem sprachlichen Werkzeugkasten, der uns beim Gendern zur Verfügung steht. Schon bei der Erstellung eines Textes sind Kreativität und gutes Handwerkszeug gefragt. Doch auch im Lektorat kann noch gut gegendert werden. Apropos: Einem geschickt gegenderten Text siehst du das übrigens nicht an …
Dr. Annika Lamer meint
Liebe Katja,
danke für deinen Kommentar. Ich gebe dir recht, dass die meisten beim Gendern diese Sparschreibungen im Sinn haben. Der Abgeordnetenwatch-Beitrag, den ein Leser oben geteilt hat, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Kommentare zu dem Beitrag befassen sich alle mit dem Gendersternchen, keiner achtet mehr auf den Inhalt – das kann ja auch nicht Sinn der Sache sein.
„Geschicktes“ Gendern ist aber viel mehr – und sollte dem Text nicht schaden. Genau wie du sagst.
Liebe Grüße
Annika
Gesine Rasche meint
Liebe Annika,
dein Link hinter „fünf schnelle Tipps zum Gendern“ ist defekt. Statt 5 sind es jetzt 9 🙂 ..
https://www.wortladen.com/9-tipps-zum-gendern/
Danke für den guten Artikel.
Gruß Gesine
Dr. Annika Lamer meint
Danke für den Hinweis, liebe Gesine! Hab’s aktualisiert.
Liebe Grüße
Annika
Stefan meint
Ich war früher sehr kritisch gegenüber gendern eingestellt. Das hat sich geändert. Heute bin ich ein Befürworter, weil eben Frauen häufig nicht mitgedacht werden. Die meisten, die ernsthaft darüber nachdenken, werden es sicherlich feststellen.